„Phantom – ein Spiel“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz im GRIPS Theater

„Phantom – ein Spiel“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz im GRIPS Theater

Da wir Schattenlichter derzeit zum zweiten Mal ein Stück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz einüben, sind wir ganz scharf auf alles, was auf anderen Bühnen von diesem Autorenteam zu sehen ist. So besuchen wir in dieser Mission bereits das Hans-Otto-Theater in Potsdam sowie das Renaissance-Theater und das GRIPS Theater in Berlin.

Das GRIPS ist mindestens so begeistert von Lutz Hübner wie wir. Es hat derzeit sogar zwei seiner Stücke auf dem Spielplan. Sechs Schattenlichter sahen sich gestern „Phantom – ein Spiel“ an, das seit Juni auf der GRIPS-Hauptbühne am Hansaplatz gezeigt wird.

Kannten wir bisher mit „Frau Müller muss weg“, „Wunschkinder“, „Willkommen“ und „Richtfest“ ausschließlich Lutz-Hübner-Stücke, in denen Menschen beisammen sitzen, die sich anfangs bestens verstehen, im Stückverlauf jedoch vom Hundertsten ins Tausendste kommen und sich schließlich aufs Schlimmste streiten, ist „Phantom“ eine Überraschung. (Zumindest fast – denn ich hatte den Stücktext vorab gelesen …)

Denn „Phantom“ ist ganz anders aufgebaut: Fünf Mitarbeiter eines Schnellrestaurants finden nach Arbeitsschluss ein im Restaurant ausgesetztes Baby. Sie mutmaßen, welche Restaurantbesucherin das Baby wohl abgelegt haben könnte, und versuchen, sich die Beweggründe vorzustellen, die zu einem so drastischen Schritt führen konnten. Im Handumdrehen schlüpfen die Schauspieler in entsprechende Rollen und spielen imaginäre Situationen nach. Immer, wenn der Zuschauer die Gewissheit gewonnen hat, dass ein dargestelltes Szenario richtig ist, kommen wieder andere Gedanken dazwischen und lenken die Handlung in eine andere Richtung.

Wir lernen: So einfach ist es mit den Vorurteilen nicht. Und wir sind gespannt wie bei einem Krimi: Wer war die Täterin? Eine Romni, eine Bulgarin, eine Bosnierin? Und wir zweifeln: Werden wir die Wahrheit je erfahren?

Das Stück sei zwangsläufig spekulativ, erläuterte Co-Autorin Sarah Nemitz. Es gehe dem Autorenteam nicht um Betroffenheit und Mitleid, sondern um Annäherung bzw. Verstehen. Das ist gelungen, denn aufgrund der vielen Rollenwechsel und dem Hin- und Herspringen zwischen Schauspieler- und Rollenebene bleibt eine beobachtende Distanz des Zuschauers jederzeit erhalten.

Regie führte am GRIPS erstmals Petra Zieser, die langjährigen GRIPS-Fans noch als beliebte Schauspielerin bekannt ist, beispielsweise als kichernde blonde Schulschwänzerin „Bisi“ in der Uraufführung von „Linie 1“ im Jahr 1986. Als Schülerinnen wollten meine Freundinnen und ich so werden wie sie! – Petra Ziesers Regiearbeit liegt in den Augen der Schattenlichter ganz auf der GRIPS-Linie: Zackig, modern, originell und nahe an den Zuschauern.

So ist mit „Phantom“ dem Theater ein GRIPS-typischer Abend gelungen, der wieder einmal überraschend anders ist. Zu erwähnen ist auch das fünfköpfige Ensemble, gemischt aus bekannten und neuen Schauspielern, das mit der GRIPS-eigenen Spielfreude und -intensität auftritt, bereits einen eingespielten Eindruck macht und auch mit wenig Kostüm und Requisite viel auszudrücken vermag.

„Phantom“ läuft wieder am heutigen Donnerstag, 4. Oktober, um 19:30 Uhr. Es gibt noch Karten. Empfehlung des Theaters: ab 16 Jahren. Es wird direkt nach der zweistündigen Vorstellung ein Nachgespräch mit dem Team und dem Dramaturgen angeboten.

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Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.

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