Ein beachtliches 30-jähriges Stückjubiläum

Ein beachtliches 30-jähriges Stückjubiläum

Au Mann! Wenn ein Theaterstück 30-jähriges Jubiläum feiert und man sich erinnert, bei der Premiere nicht etwa ein Kleinkind, sondern bereits eine Abiturientin gewesen zu sein, dann führt einem das brutal vor Augen, wie die Zeit vergeht. So erging es mir gestern Abend im GRIPS Theater, wo ich mit vier Schattenlichtern das – wie ich immer sage – wichtigste Stück des GRIPS Theaters ansehen wollte: „Ab heute heißt du Sara“.

Schon als Menschen mit Blumensträußen und Fotoapparaten durchs Theaterfoyer liefen und Theaterleiter Philipp Harpain zu Stückbeginn auf die Bühne trat, war klar: Irgendwas ist heute besonders. Das Stück – die szenische Aufarbeitung der Lebensgeschichte von Inge Deutschkron, Berliner Jüdin im Nationalsozialismus, – hat sich also schon 30 Jahre lang gehalten. Das ist gut, denn die Auseinandersetzung mit der Nazizeit ist ja bekanntlich sehr wichtig, und gerade Schulklassen dazu zu bringen, sich auch emotional in diese unschöne Zeit hineinzuversetzen, ist eine große Leistung. Noch besser ist es, dass sich einige Schulen im Vorfeld intensiv mit dem Stück und seiner Epoche befasst haben; hierfür gab es Blumen von der Senatsschulverwaltung für eine besonders engagierte Lehrerin und GRIPS-Theaterkarten für die engagierten Schulklassen. Auch das GRIPS bekam einen Blumenstrauß – gewissermaßen auch stellvertretend für Inge Deutschkron, die Deutschland zwar in den 1960er-Jahren – von der Allgegenwart von Altnazis in wichtigen Ämtern frustriert – verlassen hatte, aber Ende der 1980er für „Ab heute heißt du Sara“ wieder nach Berlin kam und sich hier seitdem als Zeitzeugin engagiert.

Wie es GRIPS-Gründer Volker Ludwig 1989 geschafft hat, aus Inge Deutschkrons Autobiografie 33 einprägsame, anrührende und immer wieder auch lustige Theaterszenen zu machen, die von Detlef Michel die passende musikalische Untermalung bekamen, hat mich schon 1989 als Schülerin begeistert. Die Zeitschrift „Theater heute“ war so angetan, dass sie das komplette Stück in einer Ausgabe von „Theater heute“ abdruckte. Ich sehe das Stück etwa alle zwei Jahre wieder und mische mich mit verschiedenen Begleitern unter die zahlreichen Schulklassen. Nach wie vor gilt: Keinen lässt die Inszenierung kalt, und auch die mit Chipstüten raschelnden Schüler verstehen die Botschaft. Gestern zum Beispiel flüsterte es hinter mir: „Die alte Frau tut mir total leid!,“, und die Antwort war: „Ich heul auch gleich.“ Genauso konnte aber auch herzhaft gelacht werden – beispielsweise, wenn die Möbelhändler, die das Hab und Gut der Familie Deutschkron für dünne Münze aufkaufen, ihren „Händlersong“ vortragen und dabei mit Stühlen artistischen Choreografien folgen.

In einem gutsortierten Haushalt findet sich alles an, so auch das Textbuch von 1989. Die darin enthaltenen Fotos sorgten bei mir nach dem Theaterbesuch noch für einen heiteren Abend zu Hause: Vom Anfangsensemble sind auch nach 30 Jahren Dietrich Lehmann und Thomas Ahrens in heutigen „Sara“-Ensemble. Während die Inge-Darstellerin jung geblieben ist – sie muss zu Stückbeginn 1933 elf Jahre alt sein und zum Kriegsende Anfang 20, sodass sie im Lauf der Jahre von immer neuen Schauspielerinnen verkörpert werden musste -, ist ihr Bürokollege Werner – Thomas Ahrens – inzwischen einfach mal 30 Jahre älter geworden. Gleiches gilt für Dietrich Lehmann als Otto Weidt, den Leiter der Blindenwerkstatt, der zahllosen Jugend in der Nazizeit geholfen hat. Aber ob 30, 60 oder 90 Jahre alt – der Typus muss stimmen, und das haben die GRIPS-Profis voll drauf. Wenn es nicht so peinlich wäre, würde ich nach jedem Theaterbesuch Unmengen von Blumensträußen für das gesamte Ensemble auf die Bühne werfen.

Auch wenn es gestern ausverkauft wirkte, gibt es für heute und morgen, 7. und 8. März, offenbar noch Karten für die „Sara“-Vorstellungen um 18 Uhr. Die Schattenlichter empfehlen: Hingehen, hingehen, hingehen! Und eine kleine Botschaft ans GRIPS: Die Orte und Daten der einzelnen Szenen waren früher sehr viel besser lesbar!

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Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.

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