Ein Live-Theaterbesuch zu Zeiten von Corona

Ein Live-Theaterbesuch zu Zeiten von Corona

Die aktuellen Corona-bedingten Vorsichtsmaßnahmen führten bekanntlich auch zur vorübergehenden Schließung der Berliner Theater. Vier Schattenlichter hatten Karten für „Schmetterlinge sind frei“ im Schlosspark-Theater gekauft und sich auf den Besuch gefreut. Vorstellung gecancelt …

Nun stellte sich die Frage: Was tun mit den ungültigen Karten?
Umtausch gegen andere Karten für einen späteren Termin?
Umtausch gegen einen Theatergutschein?
Den Betrag auszahlen lassen?
Oder den Betrag spenden, um den Corona-gebeutelten Kulturbetrieb zu unterstützen?

Das Schlosspark-Theater machte uns die Entscheidung leicht. Es lud uns – und alle anderen Theaterfans – zu einer Live-Vorführung von „Schmetterlinge sind frei“ ein: Heute um 20 Uhr spielten die vier Schauspieler ihr Stück auf ihrer gewohnten Bühne. Aber das Publikum blieb zu Hause und erlebte ein Theaterstück der besonderen Art: als Live-Stream am häuslichen Bildschirm.

Unsere erste Streaming-Erfahrung bewerten wir Schattenlichter positiv: Es ist zwar nicht das Gleiche wie ein echter Theaterbesuch, aber in diesen Zeiten haben wir nun mal nicht die Wahl. Immerhin sind wir gesund geblieben und auch nicht als Wirt für das Virus tätig geworden. Und wir haben Johannes Hallervorden, Julia Biedermann, Helen Barke und Fabian Stromberger live beim Spielen zugeguckt, konnten sie aus der Nähe sehen (eigentlich hatten wir Reihe 30 gebucht), niemand neben uns hat gehustet oder geraschelt, wir mussten weder auf den Bus warten, noch an der Garderobe oder am WC anstehen, und mitreißend war das Stück allemal.

Im Mittelpunkt der Handlung steht ein junger Erwachsener: Don Baker. Er hat gerade seine erste eigene Wohnung bezogen, um endlich auf eigenen Füßen zu stehen und sich aus den Fängen seiner überfürsorglichen Mutter zu befreien. Soweit nichts Besonderes, aber Don ist blind.

Gerade als sich Don in seinem spartanischen Zimmerchen gut zurechtfindet, flattert die neue Nachbarin Jill in sein Leben. Sie ist das absolute Gegenteil von Don: frei, lebenslustig und spontan. Die beiden verlieben sich. Doch die Komplikationen lassen nicht lange auf sich warten. Denn was für Don ein Quantensprung ist, scheint für die lockere Jill nur ein Abenteuer von vielen. Und dann mischt sich auch noch Dons Mutter ein, der offenbar jedes Mittel recht ist, ihren geliebten Sohn wieder zurück nach Hause zu holen …

Das Ganze findet glaubwürdig und flott gespielt in einem gelungenen Bühnenbild statt; Dons Wohnung mit ihrem coolen Hochbett und ihrem großzügigen Dachfenster – das Don gar nicht sehen kann – hätte man auch gerne als erste eigene Bleibe gehabt. Was sich in Jills unordentlich-chaotischer Nachbarwohnung abspielt, kann man sich nur vor seinem inneren Auge vorstellen – gut für die Entwicklung der Phantasie! Ohnehin wird man nach diesem Stück seine blinden Mitmenschen in einem anderen Licht sehen.

Zuletzt sei einem Schattenlicht von Ende 40 die Bemerkung erlaubt, dass Julia Biedermann, die in meiner Jugend immer tolle Jugendliche spielte, auch als übereifrige Helicoptermutter überzeugen kann.

Anders als bei einem tatsächlichen Besuch im Schlosspark-Theater herrschte bei den virtuellen Besuchern ein reges Kommen und Gehen – da haben die Leute eben doch eher Fernseh- als Theatergewohnheiten. Kurz vor Beginn sprang die angezeigte Zuschauerzahl innerhalb von Sekunden von 300 auf mehr als 750. Wenn man sich vorstellt, dass wir zu viert vor dem Laptop saßen, können es also auch 3.000 Zuschauer gewesen sein. Am Ende waren immer noch mehr als 600 bei der Stange, und es hagelte virtuellen Applaus und jede Menge begeisterte Kommentare.

Für die Schattenlichter ist eins klar: Die Theaterkarten werden gespendet! Das war eine super Aktion des Schlosspark-Teams!

Den Live-Stream gibt es am morgigen Donnerstag, dem 19.3., noch einmal: Einfach um kurz vor 20 Uhr auf Facebook die Seite des Schlosspark-Theaters aufrufen (Schlosspark Theater Berlin), in der linken Navigationsleiste auf „Video“ klicken! Und Spenden nicht vergessen!

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Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.

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