„Phantom – ein Spiel“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz im GRIPS Theater

„Phantom – ein Spiel“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz im GRIPS Theater

Da wir Schattenlichter derzeit zum zweiten Mal ein Stück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz einüben, sind wir ganz scharf auf alles, was auf anderen Bühnen von diesem Autorenteam zu sehen ist. So besuchen wir in dieser Mission bereits das Hans-Otto-Theater in Potsdam sowie das Renaissance-Theater und das GRIPS Theater in Berlin.

Das GRIPS ist mindestens so begeistert von Lutz Hübner wie wir. Es hat derzeit sogar zwei seiner Stücke auf dem Spielplan. Sechs Schattenlichter sahen sich gestern „Phantom – ein Spiel“ an, das seit Juni auf der GRIPS-Hauptbühne am Hansaplatz gezeigt wird.

Kannten wir bisher mit „Frau Müller muss weg“, „Wunschkinder“, „Willkommen“ und „Richtfest“ ausschließlich Lutz-Hübner-Stücke, in denen Menschen beisammen sitzen, die sich anfangs bestens verstehen, im Stückverlauf jedoch vom Hundertsten ins Tausendste kommen und sich schließlich aufs Schlimmste streiten, ist „Phantom“ eine Überraschung. (Zumindest fast – denn ich hatte den Stücktext vorab gelesen …)

Denn „Phantom“ ist ganz anders aufgebaut: Fünf Mitarbeiter eines Schnellrestaurants finden nach Arbeitsschluss ein im Restaurant ausgesetztes Baby. Sie mutmaßen, welche Restaurantbesucherin das Baby wohl abgelegt haben könnte, und versuchen, sich die Beweggründe vorzustellen, die zu einem so drastischen Schritt führen konnten. Im Handumdrehen schlüpfen die Schauspieler in entsprechende Rollen und spielen imaginäre Situationen nach. Immer, wenn der Zuschauer die Gewissheit gewonnen hat, dass ein dargestelltes Szenario richtig ist, kommen wieder andere Gedanken dazwischen und lenken die Handlung in eine andere Richtung.

Wir lernen: So einfach ist es mit den Vorurteilen nicht. Und wir sind gespannt wie bei einem Krimi: Wer war die Täterin? Eine Romni, eine Bulgarin, eine Bosnierin? Und wir zweifeln: Werden wir die Wahrheit je erfahren?

Das Stück sei zwangsläufig spekulativ, erläuterte Co-Autorin Sarah Nemitz. Es gehe dem Autorenteam nicht um Betroffenheit und Mitleid, sondern um Annäherung bzw. Verstehen. Das ist gelungen, denn aufgrund der vielen Rollenwechsel und dem Hin- und Herspringen zwischen Schauspieler- und Rollenebene bleibt eine beobachtende Distanz des Zuschauers jederzeit erhalten.

Regie führte am GRIPS erstmals Petra Zieser, die langjährigen GRIPS-Fans noch als beliebte Schauspielerin bekannt ist, beispielsweise als kichernde blonde Schulschwänzerin „Bisi“ in der Uraufführung von „Linie 1“ im Jahr 1986. Als Schülerinnen wollten meine Freundinnen und ich so werden wie sie! – Petra Ziesers Regiearbeit liegt in den Augen der Schattenlichter ganz auf der GRIPS-Linie: Zackig, modern, originell und nahe an den Zuschauern.

So ist mit „Phantom“ dem Theater ein GRIPS-typischer Abend gelungen, der wieder einmal überraschend anders ist. Zu erwähnen ist auch das fünfköpfige Ensemble, gemischt aus bekannten und neuen Schauspielern, das mit der GRIPS-eigenen Spielfreude und -intensität auftritt, bereits einen eingespielten Eindruck macht und auch mit wenig Kostüm und Requisite viel auszudrücken vermag.

„Phantom“ läuft wieder am heutigen Donnerstag, 4. Oktober, um 19:30 Uhr. Es gibt noch Karten. Empfehlung des Theaters: ab 16 Jahren. Es wird direkt nach der zweistündigen Vorstellung ein Nachgespräch mit dem Team und dem Dramaturgen angeboten.

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Auch Shakespeare hätte seine Freude daran

Auch Shakespeare hätte seine Freude daran

Alle klagen über die Hitze – nur die Schattenlichter nicht! Sie nutzten gestern Abend die Gelegenheit, sich im „Natur-Park Schöneberger Südgelände“ eine Freiluftaufführung der Shakespeare Company Berlin anzusehen.

Damit waren die fünf Schattenlichter angesichts des lauen Sommerabends nicht alleine: Alle 300 Plätze des Freilufttheaters waren vergeben – größtenteils an Spontanbesucher, die das schöne Wetter nutzen wollten, um „Die Zähmung der Widerspenstigen“ zu erleben.

Schon die Platzierung der Spätkommenden, die sich bis 15 Minuten nach dem eigentlichen Stückbeginn hinzog, war ein abwechslungsreiches Spektakel, das von der Shakespeare-Truppe humorvoll und publikumswirksam abgewickelt wurde. Wem bisher nicht klar war, ob er eine stückgetreue oder eine moderne Inszenierung zu erwarten hätte, der ahnte nun, dass es sich wohl um etwas Modernes handeln würde.

Und so war es denn auch: Die in Padua spielende Geschichte der beiden ungleichen Schwestern Katharina und Bianca, von denen die charmante jüngere erst heiraten darf, wenn sich ein Abnehmer für die kratzbürstige ältere gefunden hat, war durchaus wiederzuerkennen, aber doch so pointenreich und kurzweilig dargestellt, dass selbst Shakespeare seine Freude daran gehabt hätte.

Dabei musste das Ensemble nicht auf Requisiten und Kulissen zurückgreifen – diese gab es kaum -, sondern nutzte vor allem das Mittel der Geräuschkulisse: Wenn ein Dialog im ICE (!) Verona – Venedig erfolgte, gaben die nicht in den Dialog eingebundenen Schauspieler Zugfahr- und Bremsgeräusche von sich, die so echt wirkten, dass sie sich kaum von den Geräuschen der Züge des nahen S-Bahnhofs Priesterweg unterschieden. Untermalt mit den passenden Schlingerbewegungen der Zugreisenden, ergab das einen perfekten und urkomischen Rahmen für die Handlung.

Geräusche dieser Art zogen sich durchs ganze Stück. Das Lieblingsgeräusch der Schattenlichter war ganz eindeutig das extreme Magenknurren der kratzbürstigen Katharina, die von ihrem Frischvermählten auf Diät gesetzt wird, um ihre Widerspenstigkeit zu brechen.

Nur drei Schauspielerinnen und drei Schauspieler reichten in der Inszenierung, um alle 17 Charaktere des Stücks darzustellen. Dies gelang nicht etwa durch Streichungen von Rollen, sondern in Sekundenschnelle schlüpften die Schauspieler von einer Rolle in die nächste. Da genügte eine Mütze, um eine Verkleidung anzudeuten, ein hässlicher Anzug oder ein dummer Gesichtsausdruck, um einen einfältigen Diener darzustellen, und einem Liebhaber der Bianca gelang es sogar, eine Liebesszene des Paares ganz alleine darzustellen.

Stücke mit Moral sind ja so eine Sache; einen erhobenen Zeigefinger bekommt man nicht gerne präsentiert. Aber das Ensemble wusste sich gut von der altbackenen Moral des Stücks zu distanzieren, indem es den Zuschauern ironisch-praktische Tipps gab: „Sie sehen, so eine Zähmung dauert ungefähr zweieinhalb Stunden. Sie müssen sie gegebenenfalls mehrmals wiederholen.“

Dafür und für andere Shakespeare-Genüsse ist noch jede Menge Gelegenheit: „Die Zähmung“ läuft heute Abend um 19 Uhr, „Der Sturm“ vom 14. bis zum 17. August um 20 Uhr, „Verlorene Liebesmühe“ vom 21. bis zum 25. August um 19 bzw. 20 Uhr, „Macbeth“ vom 28. bis zum 31. August um 20 Uhr sowie am 1. September um 19 Uhr und „Der Kaufmann von Venedig“ vom 4. bis zum 8. September um 19 bzw. 20 Uhr. Bei schlechtem Wetter steht der Lokschuppen als Theatersaal zur Verfügung, und wenn das Wetter – wie am vergangenen Donnerstag – während des Stückes umschlägt, wird den Zuschauern sogar Zuflucht auf der Bühne gewährt.

 

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Wie war eigentlich das Leben mit der Mauer?

Wie war eigentlich das Leben mit der Mauer?

Damit sich die Jugendlichen von heute vorstellen können, wie sich das Leben im geteilten Berlin anfühlte, gibt es seit März 2018 im Theater Strahl in der „Halle Ostkreuz“ ein entsprechendes Theaterstück: „#BerlinBerlin“. Fünf Schattenlichter machten gestern Abend den Generationentest und stellen begeistert fest: Das ist viel mehr als ein Stück für Jugendliche, hier kommen auch die Zeitzeugen hüben wie drüben voll auf ihre Kosten.

Hüben wie drüben – auch solche Formulierungen hinterfragt das Stück: Wer ist denn eigentlich vor der Mauer, wer ist dahinter? Wer ist durch die Mauer frei – die Nicht-Eingemauerten, weil sie sich frei bewegen können, oder die Eingemauerten, weil sie durch die Mauer geschützt werden? Was macht man eigentlich mit Freiheit?

In „#BerlinBerlin“ geht es um Ingo und seine Familie: Ingo wurde am Tag des Mauerbaus geboren. Sein Vater befindet sich am 13.8.1961 gerade in West-Berlin und beschließt, dort zu bleiben. Bald gründet er dort eine neue Familie, verschweigt seine Ost-Herkunft und fällt nur durch seine starke Ablehnung „dieser scheiß Zone“ auf. Ingo und seine Familie leiden unter dem Verlust. Mehr als 25 Jahre wird es dauern, bis Ingo seine West-Schwester kennenlernt: Während er es in der DDR nicht aushält und einen Ausreiseantrag stellt, missfällt ihr im Westen die Profitorientierung, und sie preist die Vorzüge des Sozialismus.

Die sechs Schauspieler springen in unterschiedliche Rollen und schaffen es in atemberaubenden Tempo, sich von z. B. einer Mutter in ein quengelndes Kleinkind zu verwandeln. Noch beeindruckender wird es, wenn die Darstellerin des Kleinkinds sofort nach Ende der Szene ans Keyboard springt und mit der fetzigen Schauspielerband das nächste in das jeweilige Jahrzehnt passende West- oder Ostlied spielt und den Zeitzeugen im Publikum eine Gänsehaut bereitet.

Ebenso wandlungsfähig wie die Schauspieler ist die Kulisse, die aus einigen Dutzend grauer Mauersteine besteht. Diese können aber nicht nur eine offene oder undurchdringliche Mauer darstellen, sondern auch ein gemütliches Wohnzimmer, eine Mitropa-Gaststätte, Menschen auf „dem“ Bruce-Springsteen-Konzert oder gar Grabsteine auf einem Friedhof. Waaahnsinn!

Nicht zuletzt ist auch die Theaterhalle selbst einen Besuch wert: Ganz bühnenuntypisch gibt es weder einen Vorhang noch eine Bühnenrückwand, sondern die historische Hallenrückwand und ein paar Scheinwerfer reichen aus. Wann und wo wir uns befinden, wird mit klappernder Schreibmaschine jeweils zu Szenenbeginn an einen Wachturm geschrieben bzw. projiziert.

Ein für die Einzelbesucher und Schulklassen gleichermaßen gelungener und erkenntnisreicher Abend – mitreißend, emotional und bei knapp zweieinhalb Stunden Länge erstaunlich kurzweilig! Wer das Stück als Schulklasse besucht, bekommt weitere Einsichten durch das begleitend angebotene Bildungsprogramm der Stiftung Berliner Mauer.

Die Schattenlichter empfehlen: Nach den Ferien allen Bescheid sagen, die man kennt, am besten eine ganze Schulklasse (ab 14) mobilisieren, und ab zum Ostkreuz!

Bis dahin gilt: Schöne Sommerferien!

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Lutz Hübner einmal anders

Lutz Hübner einmal anders

Irgendwie haben die Schattenlichter zurzeit ein Händchen dafür, letzte Vorstellungen zu besuchen, die wir nicht mehr weiterempfehlen können, weil die Derniere gelaufen ist. So auch diesmal! Nichts desto trotz ein paar Worte zu „Der Gast ist Gott“, einer Koproduktion unseres derzeitigen Lieblingsautor Lutz Hübner mit den indischen Autoren Vibhawari Deshpande und Shrirang Godbole: Das Stück lief gestern Abend auf der Zweitbühne des GRIPS Theaters im Podewil in der Klosterstraße.

Bisher haben die Schattenlichter bei den vier Lutz-Hübner-Stücken, die sie in den vergangenen Jahren gemeinsam ansahen, immer Verhaltensmuster und Formulierungen entdeckt, die sie als „Lutz-Hübner-typisch“ bezeichneten – beispielsweise den Ausruf „Aus die Maus!“ oder das Auftreten einer Schlägerei gegen Stückende. Diesmal war alles anders, was dem Thema und dem neuen Autorenteam geschuldet sein dürfte.

Der Einakter – die Stückform und -länge immerhin sind „typisch“ – handelt von dem Jugendlichen Boris, der von seiner alleinerziehenden Mutter zu einem Schüleraustausch nach Indien überredet wird. Als Nachrücker hat er sich mit der Kultur seines Gastgeberlandes kaum auseinandergesetzt und staunt über die für ihn fremden Ansichten, Verhaltensweisen und Lebensverhältnisse. Er versucht, die Regeln zu befolgen, versteht sie aber nicht. Was Shea passiert, bis er sich heimlich mit gepacktem Koffer aus dem Haus zu schleichen versucht, ist äußerst kurzweilig.

Stilistisch neu ist, dass die Schauspieler nicht nur ihre Rollen spielen, sondern auch die Rollen der Schauspieler selbst innehaben, die bestimmte Rollen auf eine bestimmte Art interpretieren und darstellen wollen. Das ist lustig, schafft aber auch eine Distanz zum Stück, weil dadurch natürlich der Handlungsfluss unterbrochen wird. So betrachtet der Zuschauer das Stück von außen, so wie Boris aus einer Distanz das neue Land betrachtet.

Sehr originell ist ein Requisit, das in „Der Gast ist Gott“ für allerlei eingesetzt wird: Konfetti in allen Farben stellen mal Konfetti dar, mal aber auch Kuttelsuppe oder verschmutztes Flusswasser.

Da wir dieses Stück zumindest im GRIPS leider nicht mehr sehen können, empfehlen wir den Kauf von Theaterkarten für „Phantom“, ein Stück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, das erst am 7. Juni Premiere hatte. Die Schattenlichter haben es bereits gelesen und können verraten, dass auch hier die Schauspielerebene vielfach zum Einsatz kommt.

Wieder vom 29.6. bis zum 1.7., vom 4. bis zum 4.9., am 3., 4., 27. und 28.10. sowie am 14. und 15.12.2018.
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Ein gerissener Diener

Ein gerissener Diener

Wer für dünne Münze ins Theater will, hat im Sommer – und dann noch während der Fußball-WM – leichtes Spiel. Beispielsweise lockt das Schlosspark Theater gerade mit einem sogenannten „WM-Rabatt“, bei dem es zwei Karten zum Preis von einer gibt.

Vier Schattenlichter ließen sich davon heute Abend anlocken, überwanden die unangenehme Hürde einer AfD-Demo am Rathaus Steglitz und kamen für sagenhafte 38 Euro (für alle vier zusammen, nicht etwa für jeden!) in den Genuss, Dieter Hallervorden in der Hauptrolle von „Mosca und Volpone“ zu erleben. Nach dem Vorbild der Commedia dell’Arte hat Stefan Zweig dieses Stück 1926 geschrieben, und entsprechend farbenfroh hat es Thomas Schendel inszeniert.

Die Geschichte handelt von dem reichen Venezianer Volpone, der durch seinen Diener Mosca die Nachricht streuen lässt, er läge im Sterben. Umgehend stehen alte Freunde bei ihm Schlange und bringen teure Geschenke, um sich als Alleinerben zu qualifizieren. Die Handlung geht tempo- und ideenreich voran, und in der erst nach 90 Minuten beginnenden Pause wird im Publikum eifrig spekuliert, zu was für einem Ende die Komödie wohl kommen werde. Natürlich kommt es dann völlig anders.

Eine gelungene, stringente Ensembleleistung mit einem beeindruckenden Dieter Hallervorden als Diener Mosca! Wir empfehlen: Fernseher ausschalten, und ab ins Theater!

Noch bis 24.6. zum WM-Tarif oder vom 19. bis zum 24.9.2018 zum Normalpreis. Außerdem gibt es ein Sonderangebot für „Kasimir und Kaukasus“, das den ganzen Sommer über gespielt wird: Im Juli und August haben hier Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren freien Eintritt.

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Unser „Stolz und Vorurteil“ in Rheinbach

Unser „Stolz und Vorurteil“ in Rheinbach

Wer im Juni Zeit für eine kleine Reise hat und die Schattenlichter mag, kann schon einmal „googlemappen“, wo sich Rheinbach befindet. Im dortigen Stadttheater spielt das Städtische Gymnasium Rheinbach das Stück „Stolz und Vorurteil“ nach dem Manuskript von Elke Brumm und Jörg Klein, die das Stück 2012 für die Schattenlichter geschrieben hatten und auch selbst als böse Schwägerin und als Pfarrer/Erzähler auf der Bühne standen. Als Grundlage diente der bekannte Roman von Jane Austen; auch Ideen der beiden bekanntesten Verfilmungen sind in das Theatermanuskript eingeflossen.

Elke Brumm und Jörg Klein erhielten vom Verlag die Aufführungsrechte für ihr Manuskript, so dass Gruppen, die „Stolz und Vorurteil“ aufführen möchten, nur bei den Schattenlichtern die Aufführungsrechte erwerben müssen, nicht noch zusätzlich beim Verlag.

Seit der Uraufführung bei den Schattenlichtern hat eine Handvoll Schüler- und Laientheatergruppen „Stolz und Vorurteil“ in der Schattenlichter-Version aufgeführt.

Wer „Stolz und Vorurteil“ aufführen möchte, findet Informationen unter www.brumm.info.

Die Schattenlichter wünschen dem Städtischen Gymnasium Rheinbach für die Aufführungen am Mittwoch, 27. Juni, und am Donnerstag, 28. Juni, um 19:30 Uhr, toi toi toi!

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Ein Jugendsommer in Potsdam

Ein Jugendsommer in Potsdam

Auf diesen Theaterabend haben sich fünf Schattenlichter seit Monaten gefreut: Endlich hatten wir Karten für „Skizze eines Sommers“ in der Reithalle des Hans-Otto-Theaters bekommen! Länger hätten wir auch nicht mehr warten dürfen, denn heute war bereits die letzte Vorstellung des Stücks.

Mit „Skizze eines Sommers“ zeigt das Potsdamer Theaterhaus wieder einmal, dass es am Puls der Zeit arbeitet und – wie kürzlich mit „Tschick“ – ein Händchen für die Aufführung von Stücken hat, denen moderne Jugendromane zugrunde liegen. In diesem Fall ist dies der gleichnamige Roman von André Kubiczek; das Buch ist erst 2016 erschienen, war aber schon 2017 in Potsdam auf der Bühne.

Der Titel ist Programm: Es geht um einen Sommer, den letzten unbeschwerten im Leben des 16-jährigen René, bevor er – wir befinden uns in der späten DDR – eine Kaderschule besuchen muss. Dieser Sommer ist auch insofern etwas Besonderes, als Renés Vater sieben Wochen auf Dienstreise geht und seinen Sohn mit 1.200 Mark alleine zu Hause lässt. Sturmfreie Bude – und Geld im Portemonnaie!

René und seine Kumpels lassen es sich dementsprechend gutgehen, leeren in den sieben Wochen die Alkoholvorräte von Renés Vater, schlafen gepflegt aus, rauchen, hängen vor der Kaufhalle ab, lesen existentialistische Texte, hören fetzige Musik und gehen tanzen. Nicht zuletzt macht René so viele Erfahrungen mit gleichaltrigen Mädchen, dass er am Schluss gar nicht mehr weiß, in welche Disco, in welches Café und in welchen Park er mit seiner Neuen gehen so, weil quasi alle Orte schon erinnerungsverseucht sind.

Das alles ist so schön geschrieben, dass die Leichtigkeit dieses Sommers auf jeder Buchseite zu spüren ist. Erfreulicherweise hält sich das Theaterstück nahe am Buch und wählt mit gutem Geschick die relevanten Szenen aus. Mit acht Schauspielern, die sich auf der Bühne bemerkenswert verausgaben und unglaublich viel jugendliche Energie versprühen, ist Renés gesamtes Umfeld perfekt dargestellt. Dass man sich das Ganze im Sommer und in Potsdam ansieht, ist so genial, dass es kaum zu glauben ist.

Ein Theaterstück, dessen Derniere man gerade gesehen hat, lässt sich leider schwerlich als Theater-Tipp empfehlen. Also sagen wir: Einfach mal wieder ins Hans-Otto-Theater gehen – man kann da eigentlich nichts falsch machen! Und – unbedingt in diesem Sommer – „Skizze eines Sommers“ lesen, vielleicht sogar auf einer Bank in Potsdam! Viel Spaß!

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Eine Zeitreise ins West-Berlin der 70er

Eine Zeitreise ins West-Berlin der 70er

Gestern begaben sich vier Schattenlichter auf eine Zeitreise in die 1970er-Jahre in West-Berlin: Das Potsdamer Hans-Otto-Theater zeigte mit seinem Schauspielmusical „Rio Reiser — König von Deutschland“ das Entstehen der Rockband „Ton Steine Scherben“. Dabei gab es nicht nur einen interessanten Einblick in die Zeit der Jugendrebellion und Studentenunruhen gegen Staat, autoritäre Strukturen, alte Nazis und Krieg, sondern auch einige Informationen über die Band und ihren Frontman, die zumindest uns noch neu waren.

Wusstet Ihr etwa, dass sich die Band aus dem trubeligen, politischen West-Berlin auf einen Bauernhof in Nordfriesland zurückzog, um dort besser gemeinsam musizieren zu können, sich aber schließlich desillusioniert und hochverschuldet auflöste? Oder dass Marianne Rosenberg und Rio Reiser befreundet waren und die Presse eine Liaison witterte, da nicht jeder mitbekommen hatte, dass Rio Reiser homosexuell war? Dass die großen Erfolge wie „König von Deutschland“ und „Alles Lüge“ erst in Rio Reisers Solokarriere entstanden? Und dass Rio Reiser nach der Wende die PDS unterstützte, was vielen Fans und Radiosendern missfiel?

Das Musical im Hans-Otto-Theater entwickelte sich im Laufe des dreistündigen Abends immer mehr von einem Bühnenstück zu einem mitreißenden Rockkonzert, da die Musiker und Sänger alles gaben und ein Hit auf den nächsten folgte. Sehr bemerkenswert war die Leistung des Reiser-Darstellers Moritz von Treuenfels, der schauspielerisch und singend gleichermaßen überzeugte. Als Fans der „Tschick“-Inszenierung freuten sich die Schattenlichter auch, den Tschick-Darsteller Eddie Irle nun als Fahrer von Rio Reiser und in diversen anderen Rollen wiederzusehen.
Am besten gefielen den Schattenlichtern die unterschiedlichsten Kostüme und Perücken, von denen das Hans-Otto-Theater einen unendlichen Fundus haben muss. Wahrscheinlich hat man in Potsdam einfach mehr Lagerfläche als in Berlin …

Unser Tipp: Unbedingt versuchen, Restkarten zu bekommen – für die letzten Vorführungen am 22. Mai und am 27., 28. und 29. Juni 2018. Oder, wenn’s nicht klappt, einfach mal wieder ins Hans-Otto-Theater gehen und gucken, wo Moritz von Treuenfels mitwirkt. Beispielsweise gibt es einen Auftritt „Rio Reiser unplugged“ am Samstag, 30. Juni, um 21 Uhr im Rahmen des Festivals „Stadt für eine Nacht“ im Neuen Theater/Glasfoyer – mit Rio Reiser und einem Musiker.

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König von Deutschland

König von Deutschland

Gestern begaben sich vier Schattenlichter auf eine Zeitreise in die 1970er-Jahre in West-Berlin: Das Potsdamer Hans-Otto-Theater zeigte mit seinem Schauspielmusical „Rio Reiser – König von Deutschland“ das Entstehen der Rockband „Ton Steine Scherben“. Dabei gab es nicht nur einen interessanten Einblick in die Zeit der Jugendrebellion und Studentenunruhen gegen Staat, autoritäre Strukturen, alte Nazis und Krieg, sondern auch einige Informationen über die Band und ihren Frontman, die zumindest uns noch neu waren.

Wusstet Ihr etwa, dass sich die Band aus dem trubeligen, politischen West-Berlin auf einen Bauernhof in Nordfriesland zurückzog, um dort besser gemeinsam musizieren zu können, sich aber schließlich desillusioniert und hochverschuldet auflöste? Oder dass Marianne Rosenberg und Rio Reiser befreundet waren und die Presse eine Liaison witterte, da nicht jeder mitbekommen hatte, dass Rio Reiser homosexuell war? Dass die großen Erfolge wie „König von Deutschland“ und „Alles Lüge“ erst in Rio Reisers Solokarriere entstanden? Und dass Rio Reiser nach der Wende die PDS unterstützte, was vielen Fans und Radiosendern missfiel?

Das Musical im Hans-Otto-Theater entwickelte sich im Laufe des dreistündigen Abends immer mehr von einem Bühnenstück zu einem mitreißenden Rockkonzert, da die Musiker und Sänger alles gaben und ein Hit auf den nächsten folgte. Sehr bemerkenswert war die Leistung des Reiser-Darstellers Moritz von Treuenfels, der schauspielerisch und singend gleichermaßen überzeugte. Als Fans der „Tschick“-Inszenierung freuten sich die Schattenlichter auch, den Tschick-Darsteller Eddie Irle nun als Fahrer von Rio Reiser und in diversen anderen Rollen wiederzusehen.
Am besten gefielen den Schattenlichtern die unterschiedlichsten Kostüme und Perücken, von denen das Hans-Otto-Theater einen unendlichen Fundus haben muss. Wahrscheinlich hat man in Potsdam einfach mehr Lagerfläche als in Berlin …

Unser Tipp: Unbedingt versuchen, Restkarten zu bekommen – für die letzten Vorführungen am 22. Mai und am 27., 28. und 29. Juni. Oder, wenn’s nicht klappt, einfach mal wieder ins Hans-Otto-Text Theater gehen und gucken, wo Moritz von Treuenfels mitwirkt.

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Kishon-Szenen – das wollten wir auch schon mal

Kishon-Szenen – das wollten wir auch schon mal

Vor ein, zwei Jahren diskutierten die Schattenlichter darüber, Szenen des israelischen Satirikers Ephraim Kishon auf die Bühne zu bringen, verwarfen die Idee dann aber zugunsten von „Boeing Boeing“. Dafür sahen sich gestern fünf Schattenlichter an, wie andere mit Kishon auf der Bühne umgehen. Das Fazit: Begeisterung!

Als „szenische Lesung“ beschreibt das Deutsch-Jüdische Theater sein Stück „Kishon: Die beste Ehefrau von allen und ICH“, und das trifft es sehr gut. Rund ein Dutzend Szenen werden im Lauf des zweistündigen Theaterabends präsentiert. Was Kishon aus der Perspektive des Ich-Erzählers geschrieben hatte, ist auf der Bühne geschickt auf einen Schauspieler (Joachim Kelsch) und eine Schauspielerin (Alexandra Julius Frölich) verteilt. Meist spricht die Frau den Text von Kishons Frau, während der Mann den Text von Kishon selbst präsentiert. Zu den Stärken der Inszenierung gehört, dass dieses Muster oft genug durchbrochen wird, um kurzweilig und überraschend zu bleiben; so werden auch die eigenen Kinder, unliebsame Nachbarn und anstrengende Freunde dargestellt. Vieles erfolgt als Lesung, manches auch als Schauspiel, das mit wenigen Requisiten auskommt.

Kishons Frau gewinnt durch diese Darstellung noch mehr an Format, als sie schon beim Lesen der Originaltexte hat. Man freut sich als Zuschauer, die „beste aller Ehefrauen“ endlich leibhaftig vor Augen zu haben, und mit der ausdrucksstarken, immer präsenten Alexandra Julius Frölich ist die Rolle hervorragend besetzt. Kishon hätte seine Freude an dieser Darstellung, ist aber leider im Jahr 2005 verstorben.

Wie sich die Freundschaft zu den Spiegels gestaltet, wie sich die Ehefrau nach einem Kinobesuch selbst finden will und mit einer Krokodillederhandtasche geerdet werden muss, wie die Kishons bei einer Abendeinladung ausgehungert über ein Büffet herfallen oder wie Kishons Kind mit einem Gruselmärchen zum Einschlafen gebracht werden soll — das alles trägt die unverkennbare Handschrift des größten Satirikers des 20. Jahrhunderts und ist anregend und sympathisch dargestellt.

Den Schattenlichtern ist das Deutsch-Jüdische Theater erst seit ein paar Monaten ein Begriff, obwohl es schon 2001 gegründet wurde. Unter seinem langjährigen Intendanten Dan Lahav war es das einzige jüdische Repertoiretheater in Deutschland; es hatte einen Fünf- bis Sechs-Tage-Spielbetrieb und ein festes Ensemble. Nach dem plötzlichen Tod von Dan Lahav stand das Theater vor dem Aus, wurde aber glücklicherweise von einem kleinen, engagierten Team weitergeführt. Als neue Spielstätte konnte das Theater Coupé gewonnen werden — ein gemütlicher Raum mit schätzungsweise 80 Sitzplätzen und einem Café, in dem es sich gemütlich die Pause verbringen lässt. Das Coupé ist verkehrsgünstig am Fehrbelliner Platz gelegen; es befindet sich am Hohenzollerndamm 177 im Gebäude des Bürgeramtes.

Auf dem Spielplan des Deutsch-Jüdischen Theaters stehen pro Monat rund zehn Aufführungen verschiedenster Stücke, oft auch mit Musik (z. B. ein Stück über die Barry Sisters und ein anderes über Friedrich Hollaender, der u. a. die tollen Ohrwürmer für Malene Dietrich schuf).

Bis zum Ende der Theatersaison am 17. Juni 2018 ist noch jede Menge Zeit, um sich jüdische Kultur auf angenehme, unaufdringliche Art näherzubringen: Kishon wird wieder am Freitag, 8. Juni, und am Samstag, 16. Juni, gezeigt, außerdem weist der anspruchsvolle Spielplan bis zur Sommerpause noch weitere sechs Inszenierungen auf, zu finden unter www.djthe.de. Das Theater bekommt derzeit keine Unterstützung des Senats. Karten gibt es unter karten@djthe.de und 0176 72261305.

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