Ein packender Briefroman auf der Bühne
Vier Schattenlichter sahen sich heute das Stück „Empfänger unbekannt“ im Kleinen Theater am Südwestkorso an. Das Stück zählt zu den ernsten Inszenierungen des Theaters, das in seinem Repertoire über eine große Bandbreite verfügt.
Eigentlich besteht das Stück nur aus der Präsentation eines Briefwechsels zwischen zwei besten Freunden, die sich nach und nach voneinander entfremden. Das ist aber hervorragend umgesetzt, so dass keine Sekunde Langeweile aufkommt, sondern das komplette Publikum gespannt mitfiebert.
Zum Inhalt: Der Deutsche Martin Schulze und der amerikanische Jude Max Eisenstein, gespielt von Paul Walther und Jonas Laux, betreiben in den USA eine gut gehende Kunstgalerie. 1932 entscheidet sich Schulze, mit seiner Familie nach Deutschland zurückzukehren. So schreiben sich die beiden Briefe, versichern sich darin ihre Freundschaft, schwelgen amüsiert in Erinnerungen, tauschen sich aus über Privates und Berufliches.
Zu Beginn sieht Schulze den Aufstieg der Nationalsozialisten noch kritisch, doch schon bald wird er ein bekennender Nationalsozialist. Mit den politischen Ereignissen in den nächsten eineinhalb Jahren lernt Max ganz neue Seiten seines Freundes kennen, und eine Geschichte voller dramatischer und überraschender Wendungen entspinnt sich.
Die Grundlage des Stücks ist der Briefroman „Address Unknown“ von Kathrine Kressmann Taylor (1903 – 1996), der 1938 in der New Yorker Zeitschrift „Story“ erschien. Die Autorin, die von 1926 bis 1928 als Werbetexterin gearbeitet hatte, war bis dahin unbekannt.
„Empfänger unbekannt“, so berichtete sie später, beruhe auf mehreren wahren Briefen. Über 60 Jahre später wurde der Roman auch in Deutschland und Frankreich zum Bestseller.
Die Schattenlichter waren sehr beeindruckt und diskutierten eine ganze Weile über die beiden Charaktere und über das Stück.
In drei Tagen läuft es noch einmal, bevor das Kleine Theater in die Sommerpause geht.