Was beste Freunde wirklich über einander denken

Was beste Freunde wirklich über einander denken

Offenbar haben die Schattenlichter derzeit eine Schwäche für zeitgenössische deutsche oder französische Autoren, in deren Bühnenstücken Menschen mittleren Alters stehen, die sich in ihren Wohnungen treffen und deren gemütliche Abendveranstaltungen dramatisch eskalieren.

Man denke nur an die vielen Lutz-Hübner-Stücke, die wir in den letzten Monaten gesehen haben, an „Bella Figura“ von Yasmina Reza, an „Der Vater“ von Florian Keller oder auch an unser eigenes aktuelles französisches Stück „Der Vorname“!

Heute ist ein weiteres hinzugekommen: „Hinter der Fassade“, die deutschsprachige Uraufführung eines Stücks des französischen Erfolgsautors Florian Zeller. Es ist seit vorgestern im Renaissance-Theater zu sehen – eine Kooperation mit dem St.-Pauli-Theater Hamburg.
Der Titel „Hinter den Kulissen“ ist programmatisch: Wir erfahren, was sich hinter der Fassade der Charaktere abspielt und was beste Freunde wirklich voneinander halten.

Der gemütliche Abend unter Freunden steht unter schlechten Vorzeichen: Patrick und Laurence haben sich kürzlich getrennt – ein Schock für ihre langjährigen Freunde Isabelle und Daniel. Patrick hat eine neue Freundin, und so treffen sich die beiden Pärchen zum ungezwungenen Kennenlernen in der Wohnung von Isabelle und Daniel. Eifersucht, Unsicherheit, Angeberei und Angst sind nur einige der Themen, die dabei zutage treten.
Die berühmte Schattenlichter-Frage: Was können wir uns von der Inszenierung abgucken? Da ist vor allem das Stilmittel, seine Gedanken laut auszusprechen, aber sich auch dabei zum Publikum zu wenden, so dass die anderen Bühnencharaktere das Gesagte scheinbar nicht hören. Die Zuschauer erfahren auf diese Weise einiges, was auch durch beste Mimik in einem großen Theatersaal nicht zu vermitteln wäre. Dieses Stilmittel kennen die Schattenlichter schon von früheren französischen Autoren wie Molière, bei dem es in solchen Fällen im Kursivtext „(beiseite)“ hieß. Das ist witzig und kurzweilig und kommt bei „Hinter den Kulissen“ ganz ungekünstelt daher. Vor allem Herbert Knaup beherrscht diese Kunst meisterhaft; sein Daniel verheddert sich in seinen widerstreitenden Gefühlen, und seine Gedanken mäandern beachtlich zwischen Zufriedenheit und Ausbruchslust.

Ein bisschen neidisch sind die Schattenlichter auf die kleine Drehbühne des Renaissance-Theaters, die es erlaubt, vom Wohnzimmer in die Küche bzw. in anderen Szenen von der Küche ins Wohnzimmer zu schauen. Auf gewisse Weise ist auch das ein Blick „hinter die Kulissen“.

Unser Tipp: Schnell Karten besorgen, denn es lohnt sich sehr, aber das Stück ist offenbar nahezu ausverkauft.

Täglich bis Freitag, 17.11.2017, jeweils um 20 Uhr.

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Noch preiswerter als die Schattenlichter

Noch preiswerter als die Schattenlichter

Alle paar Jahre besuchen die Schattenlichter eine Aufführung im Werner-von-Siemens-Gymnasium in Schlachtensee. Dort gibt es „Die Oilen“, eine Lehrertheatergruppe, die es an Langlebigkeit mit den Schattenlichtern aufnehmen kann. Wir wissen nicht, wann „Die Oilen“ gegründet wurden, aber sicher ist, dass sie nun schon ihr achtes Stück zeigten und dass die Verbindung mit den Schattenlichtern bereits im Jahr 2004 begann: Damals hatten nämlich beide Gruppen Oscar Wildes „Ernst sein ist wichtig“ auf dem Plan, und die Lehrer guckten sich die Aufführung der Schattenlichter an, bevor sie ihre eigene Aufführung zeigten. Diese wiederum sahen die Schattenlichter – und freuten sich irrsinnig, als sie glaubten, einige Elemente ihrer eigenen Inszenierung wiederzuerkennen.

Vorgestern und gestern nun zeigten „Die Oilen“ ein Stück des russischen Autors Jewgenij Schwarz: „Der Schatten“. Es handelt vom Schatten einer verliebten Frau, der sich von der Frau löst und so weit verselbstständigt, dass er ihr durch Intrigen den Geliebten ausspannt. Aber wie unabhängig kann sich ein Schatten von einem Menschen machen? – Dieses Motiv findet sich mehrfach in Theater, Märchen und Opern.

„Die Oilen“ stellen das 1940 uraufgeführte Stück mit dem Stilmittel der Überzeichnung dar, was sehr konsequent umgesetzt ist, aber bisweilen den Zuschauer daran hindert, der Handlung nicht nur mit dem Kopf, sondern auch emotional zu folgen. Einzig bei längeren Dialogen verzichteten „Die Oilen“ auf die Überzeichnung, so dass dann das Publikum ganz im Bann des Stücks sein konnte. Bemerkenswert war die Leistung des spielerisch über sein Vorbild hinausgehenden Schattens (Elisabeth Leder), aber auch Jan Meister stach mit seiner vielfältigen Darstellung von – angenehm begabtem – Sänger, Korporal und Henker hervor. Nicht zuletzt Harald Rehnert brachte die Schattenlichter zum Lachen, weil er seinen Prinzen mit einer Egozentrik und Kindlichkeit spielte, die originell war und überzeugte.

Jeder Darsteller hatte im Publikum seinen besonderen Fanclub; bei den Aufführungen der „Oilen“ ist es immer erheiternd, Schüler zu beobachten, die sich freuen, ihre Lehrer in anderen Rollen zu sehen als im Alltag.
Eine Berufskrankheit – den Begriff „Hobbykrankheit“ gibt es wohl nicht – der Schattenlichter ist es, bei jedem Theaterstück zu schauen, was man davon in eigenen Inszenierungen verwenden könnte. Diesmal waren es zum einen die Bühnenmusik, die von Matthias Irmer am Flügel vorgetragen wurde und nicht nur Umbaupausen, sondern auch langwierige Auftritte wie das Hereinschieben eines Throns wunderbar verkürzte und dynamisierte. Zum anderen begeisterte uns das Bühnenbild, das den Glanz eines Königshauses mit Unmengen von überdimensionalen glänzenden Seidentüchern darstellte – minimalistisch und genial! Zudem bestand das Bühnenbild aus zwei hintereinanderliegenden Ebenen, so dass eine Handlung auf der Hauptebene durch Personen, die auf der hinteren Ebene ihr Unwesen trieben, verstärkt wurde.

Da es keine weiteren Aufführungen des „Schattens“ geben wird, lautet unser Tipp: Wenn „Die Oilen“ das nächste Mal wieder etwas spielen – hingehen! Mit drei Euro war das Lehrertheater sogar noch günstiger zu haben als eine Theaterkarte bei den Schattenlichtern.

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Einen Abend Dauerlachen

Ein einziger Mann, der einen ganzen Theatersaal einen Abend lang zum Dauerlachen bringt: Über Horst Evers und sein Programm „Der Kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex“ konnten sich kürzlich fünf Schattenlichter in den Wühlmäusen schlapplachen. Dabei handelt es sich nicht um das Erzählen guter Witze, sondern um ganz praktische Lebenshilfe — und das klingt ja eigentlich eher trocken und anstrengend. Aber wenn Horst Evers seine Lebens- und Verbrauchertipps präsentiert, bleibt kein Auge trocken. Fraglich ist nur, wie viele seiner Tipps der geneigte Theaterbesucher im Anschluss an den Abend tatsächlich umsetzen wird.

Wenn Horst Evers gerade keine Tipps gibt, analysiert er das politische Zeitgeschehen; da gibt es ja derzeit genug Bemerkenswertes, so dass die Themen nicht ausgehen. Und wenn Horst Evers gerade nicht die Politik analysiert, widmet er sich dem derzeit wundesten Punkt der Berliner — dem BER. „Nicht schon wieder!“, könnte man denken, aber nein! Evers eröffnet völlig neue Sichtweisen auf die Großbaustelle, entwickelt Theorien, wie Berlin/Brandenburg doch noch zu einem Flughafen kommen könnte, und stellt Ideen vor, wie sich das unfertige Gebäude anderweitig nutzen ließe. Sooo lustig!

Nicht zuletzt: Nach dem Schlussapplaus noch einen Moment sitzen bleiben, denn dann erläutert Horst Evers, warum man unbedingt sein Buch kaufen sollte. Die Argumente sind frappierend!

Horst Evers ist mit dem „Kategorischen Imperativ“ derzeit auf Deutschlandtournee. Wieder in den Berliner Wühlmäusen (Pommernallee 2–4, Berlin-Charlottenburg) ist er am 25. und am 26. November 2017 sowie am 25. und am 26. Februar 2018. Für November 2017 gibt es nur noch Restkarten, aber es kommen immer mal wieder Plätze zurück in den Verkauf; für Februar 2018 sieht es entspannter aus.

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Alles von Lutz Hübner

Alles von Lutz Hübner

Die Schattenlichter sind zu wahren Lutz-Hübner-Experten geworden: Wer sich die Mühe macht, durch die stattliche Liste der Theater-Tipps zu scrollen – übersichtlicher als bei Facebook zu finden auf www.schattenlichter.info -, der wird feststellen, dass die Gruppe nun schon das fünfte Stück des Autorenteams Hübner/Nemitz gesehen hat: „Willkommen“.

Das Renaissance-Theater hat an Lutz Hübner offenbar ebenso viel Freude wie die Schattenlichter: In flottem Rhythmus kommt ein Hübner-Stück nach dem anderen auf die Bühne des hübschen Hauses, zum Teil sogar mit denselben Schauspielern.

Mit „Willkommen“ ist Hübner wieder ein großer Wurf gelungen: Wie bei „Frau Müller muss weg“ greift er aktuelle Strömungen auf und führt auf der Bühne Menschen zusammen, die zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen haben und diese erst dezent, im Laufe des Abends jedoch vehement vertreten und dabei so manches Detail von sich offenbaren, das besser versteckt geblieben wäre. Das Ganze geschieht bei Hübner in Echtzeit, dauert knapp 90 Minuten und ist so kurzweilig, wie ein Theaterabend nur sein kann.

Aktuelles Thema des aktuellen Stücks ist die Flüchtlingssituation in Berlin: In einer Erwachsenen-WG im biederen Charlottenburg will ein WG-Mitglied sein Zimmer während eines Auslandsaufenthaltes ein Jahr lang untervermieten — an Flüchtlinge. Dies trifft bei politisch korrekten Mitbewohnern auf Gegenliebe, andere hingegen bringen ihre Bedenken und Vorurteile deutlich zum Ausdruck. Sie wünschen sich eher ein „ruhiges älteres Ehepaar“ oder „jemanden, der Tischtennis spielen kann“. Die Jüngste in der Runde offenbart die Nachricht von ihrer Schwangerschaft und hofft auf den werdenden Vater als neuen Mitbewohner. Der ist allerdings Türke aus dem Ruhrgebiet und in manchen Punkten fast flüchtlingskritischer als die AfD … Das verspricht keine reibungslose Einigung in der Mitbewohnerfrage!

Die Schattenlichter im Publikum waren im Geiste schon dabei, die Rollen dieses Stücks auf die eigenen Gruppenmitglieder zu verteilen. Das beste Zeichen dafür, dass ein Theaterbesuch wirklich gelungen ist, ist, wenn man das gesehene Stück selbst spielen will.

„Willkommen“ heißt es noch vom 1. bis zum 6. September 2017 um 20 Uhr bzw. am Sonntag um 16 Uhr. Das Theatergebäude kann übrigens auch am Tag des offenen Denkmals (Sonntag, 10. September, 11 und 14 Uhr) besichtigt werden; Anmeldung unter Tel. 030 31597315.

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Die Schattenlichter beim „Glöckner“

Die Schattenlichter beim „Glöckner“

Dieser dritte Theater-Tipp des Monats August passt nicht in die Rubrik „Bühnen, die mit günstigen Sommerangeboten locken“, denn günstig ist ein Besuch des Musicals „Der Glöckner von Notre Dame“ im Stage Theater des Westens wirklich nicht.

Aber der Kartenpreis ist gerechtfertigt, denn es wird eine Menge geboten: Das rund 50-köpfige Ensemble ist durchweg mit guten Sängern besetzt. Was für ein Genuss, in einem Musical die Gesangspassagen komplett verstehen zu können!

Auch das Stück überzeugt; es gibt einen verhältnismäßig großen Anteil an Sprechtexten, so dass eine durchaus spannende Handlung entsteht und sich die Figuren nicht nur durch ihren Gesang, sondern auch durch Text und Spiel charakterisieren. Die Darbietung macht auf die Romanvorlage von Victor Hugo neugierig.

Nicht zuletzt ist auch das wandelbare Bühnenbild ein Plus dieser Inszenierung: Auf derselben Bühne können durch winzige und schnelle Umbauen die drangvolle Enge des kirchlichen Glockendachbodens, aber auch die gewaltige Kathedrale mit imposanter Rosette oder aber die Pariser Stadtkulisse dargestellt werden.

Wie das Bühnenbild in Sekundenschnelle wandelbar ist, so sind es auch die Darsteller, die sich von steinernen Skulpturen glaubwürdig in den ehrwürdig-steifen katholischen Kirchenklüngel oder aber in farbenfrohe Zigeuner verwandeln.

Heute loben die Schattenlichter gerne auch das Pausengastronomiepersonal, das ausgesprochen geduldig und sympathisch ist.

Ihr erahnt den Tipp: Hingehen! Es gibt jede Menge Möglichkeiten: täglich außer montags, 18:30 bzw. 19:30 Uhr, samstags und sonntags zusätzlich 14:30 Uhr.

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Sommerangebote nutzen (Teil 2)

Sommerangebote nutzen (Teil 2)

Auch das Steglitzer Schlossparktheater lockt gerade mit attraktiven Preisangeboten: In den Sommerferien dürfen sich erwachsene Theaterbesucher kostenlos von ihren Kindern begleiten lassen. Da man von allen Plätzen aus gut sehen kann, kommen auf diese Weise fünf Schattenlichter für sagenhafte 36 Euro ins Theater. Sensationell!

Das neue Stück „Funny Money“ ist heiteres, unterhaltsames Sommertheater: Ein ältlicher Steglitzer – von seiner Frau für einen langweiligen Versager gehalten – verwechselt in der U-Bahn seinen Aktenkoffer, der langweilige Versagerutensilien wie Klappstullen mit Ei und Schinken enthält, mit einem Aktenkoffer, in dem sich 735.000 DM befinden.
Nun will er das Leben genießen und sich mit seiner Frau mit dem nächstbesten Flug ins Ausland absetzen, bevor ihm der Besitzer des Geldes auf die Schliche kommt und ihm den Koffer oder gar das Leben abnimmt.

Dass das Absetzen nicht so einfach gelingt und es zu zahlreichen Verwicklungen und Verwirrungen kommt, liegt auf der Hand. Manches davon ist vorhersehbar, aber vieles ist dennoch ausgesprochen komisch.
Autor Ray Cooney beherrscht sein Geschäft und zieht alle Register – von Wortspielen und Missverständnissen bis zur obligatorischen vielfachen Verwechslung des bewussten Koffers. Die Schauspieler setzen diese Schneeballkomödie mit gutem Tempo um, so dass die Zuschauer nach zwei Stunden etwas atemlos vom unsinnigen Geschehen und mit Seitenstechen vom Lachen in den Sommerabend entlassen werden.

Unser Tipp: Sich Kinder schnappen und das Angebot noch bis 3.9.2017 annehmen!

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Sommerangebote nutzen (Teil 1)

Sommerangebote nutzen (Teil 1)

Im August begeben sich die Schattenlichter zu zwei Bühnen, die der Sommerpause mutig trotzen und Zuschauer mit besonderen Vergünstigungen zu sich zu locken versuchen.

Im ersten Fall ist die Ersparnis besonders groß: Das Starlight Express Theater in Bochum bietet bis 9. September fünf Karten für Familienmitglieder bzw. vier Karten für Freunde für 99 Euro an (günstigste Preisklasse; auf besseren Plätzen entsprechend teurer). Eine gute Gelegenheit, das berühmte Musical von Andrew Lloyd Webber endlich einmal zu sehen — schließlich wird es in Bochum seit 1988 pausenlos in einem eigens dafür errichteten Gebäude aufgeführt! Es gilt damit als das am längsten gespielte Musical der Welt.

Die vierstündigen Bahnanreise lohnt sich, denn die Aufführung ist beeindruckend: Alle Darsteller sind auf Rollschuhen oder Inlinern unterwegs, und sie bewegen sich auf Bahnen, die direkt durchs Publikum verlaufen. So etwas haben wir noch nicht gesehen!

Die Handlung wird komplett gesungen, was auch für Freunde des Sprechtheaters okay ist, weil die Sprechtexte in Musicals ja oft ohnehin nur Beiwerk sind. Der Schwerpunkt liegt eben anderswo. In Bochum liegt er auf dem Rollschuhlaufen und auf dem Gesang. Diese doppelte Herausforderung zu meistern, ist nicht einfach. Daher wird das Ensemble international rekrutiert, was nicht immer zu einem einfachen Verständnis des Textes führt. Natürlich begreift man die Handlung auch, wenn es heißt: „Ich habe dich gesücht“, aber es irritiert doch ein wenig.

Ach ja, die Handlung: Das Musical dreht sich um ein Wettrennen von Lokomotiven unterschiedlicher Antriebsarten und Nationalitäten. Der sympathischen Dampflok Rusty wird aufgrund ihrer veralteten Technik keine Gewinnchance eingeräumt, aber schließlich macht Rusty das Rennen doch und gewinnt das Herz seiner Angebeteten.

Herausragend sind die Singstimme von Rustys Vater und die Rollschuhlaufkünste des gesamten Ensembles. Wie synchron sich die 20 Darsteller auf den Rollen bewegen können, ist erstaunlich! Schön ist auch das abwechslungsreiche Musikangebot: Je nach Charakter der Lokomotive oder Aufregung der Szene kommen Pop, Rock, Blues und Electro zum Einsatz. Die Darbietung wird mit passenden Lichteffekten untermalt: mal hektisches Flimmern, mal beleuchteter Kunstnebel, mal kitschig-romantischer Sternenhimmel.

Unsere Empfehlung: Die letzten Ferientage nutzen und unverzagt ins Ruhrgebiet fahren — am besten zum Musicalthema passend mit der Bahn!

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Lachend in die Sommerpause

Lachend in die Sommerpause

Bevor die Theater-Sommerpause und die Urlaubszeit beginnen, hat es drei Schattenlichter in die Distel gezogen. Unsere letzten Erinnerungen an diesen Ort stammen aus der Nachwendezeit, als wir dem politischen Nummernkabarett atemlos lauschen und die Hälfte nicht verstanden, weil uns die dargestellten Politiker fremd waren.

Diesmal war es anders; das politische Geschehen bewegte sich auf einem Niveau, dem einigermaßen informierte Normalbürger lückenlos folgen konnten. Sehr angenehm war, dass nicht einzelne Nummern dargeboten wurden, sondern eine komplette Handlung: Drei erfolglose und finanziell abgebrannte Berliner gründen in ihrer Wohnung in Berlin-Mitte einen eigenen Staat, um keine Steuern zahlen zu müssen und die Regeln selbst aufstellen zu können. Doch schon bald stellen sich Probleme ein: Steuerbetrüger und andere Kriminelle versuchen, sich in dem neuen Staat Vorteile zu verschaffen, und dann kommen auch noch Trump und Merkel zu Besuch …

Ganz nebenbei werden dem erfreulich altersgemischten Publikum die drei Standardantworten vermittelt, mit denen jeder in einem politischen Interview bestehen kann:
1. Da müssen wir nochmal ran!
2. Das hat mein Vorgänger versaut!
3. Das wird aber nicht billig!

Unser Tipp: Diese Woche noch hingehen – und dann lachend ab in die Sommerpause!

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Mitleid mit den Unter-60-Jährigen

Mitleid mit den Unter-60-Jährigen

Bei den meisten Theatern steht die Sommerpause unmittelbar bevor. Wir haben uns vorher noch einmal ins GRIPS Theater begeben, um das Stück zu sehen, das zum 80. Geburtstag des Theatergründers Volker Ludwig im Juni 2017 in einer Neuinszenierung erschien: „Eine linke Geschichte“.

Das Stück zeigt die Geschichte der 1968er Studentenrevolte, erzählt am Beispiel dreier Studenten. Das Ganze spielt natürlich in Berlin, den zum einen ist es ja ein GRIPS-Stück, zum anderen war Berlin ja der zentrale Schauplatz. Ergänzt wird diese Geschichte durch Szenen aus dem Reichskabarett, dem Vorgänger des GRIPS. Sehr erfreulich, dass hierbei auch drei Schauspieler an Bord sind, die schon in früheren Fassungen der „Linken Geschichte“ mitspielten: Dietrich Lehmann, Thomas Ahrens und Claudia Balko.

Auch die Jüngeren machen ihre Sache hervorragend: Sie überzeugen als dynamische Studenten voller Ideale, die mit dem Mief des Nachkriegsdeutschlands Schluss machen wollen und dabei hin und wieder über ihre eigene bürgerliche Erziehung stolpern.

Neu an der Neufassung sind die einleitenden Texte zu den einzelnen Szenen, „damit auch die Unter-60-Jährigen im Publikum etwas verstehen“, und das Ende der „Linken Geschichte“. Endete die Geschichte in der letzten Version noch desillusioniert in der Uckermark, so finden sich diesmal die ehemaligen Studenten und Kabarettisten 2017 im GRIPS Theater ein, um weiterhin aufzuklären und Missstände anzuprangern. Eine rundum überzeugende Leistung, unbedingt vorzumerken für die Zeit nach der Sommerpause!

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Pausenloses Theater

Pausenloses Theater

Schrieben wir kürzlich an dieser Stelle über den bizarren Trend, Theaterstücke ohne Pause in 90 Minuten aufzuführen, so können wir nun gar von einer Steigerung berichten: Die Schaubühne zeigt ihren „Professor Bernhardi“ ohne Pause in 2 Stunden und 45 Minuten.

Uff, möchte man schon im Vorfeld denken, und es ist denn auch so, dass die Pause fehlt, um sich mit den anderen Schattenlichtern über das Bühnengeschehen auszutauschen und um eventuell anderen noch profaneren Bedürfnissen nachzukommen. Dennoch lassen sich die gefühlten drei Stunden gut aushalten, denn das Arthur-Schnitzler-Stück ist kurzweilig und packend.

Der 100 Jahre alte Stoff wirkt im modernen Bühnenbild erstaunlich zeitlos, denn Opportunismus, Karrieristen und Lügner gab es damals wie heute. Jörg Hartmann nicht als Stasimann oder Tatort-Kommissar im Fernsehen zu sehen, sondern live auf einer Bühne, ist toll. Umso erfreulicher, dass dieser wandlungsfähige Schauspieler nun wieder fest zum Ensemble der Schaubühne gehört, wie schon einmal ein Jahrzehnt lang ab 1999.

Raffiniert ist auch das Bühnenbild: Es ist schlicht, arbeitet aber häufig mit Live-Filmaufnahmen von der Bühne, die mit vorab erstellten Filmen vermischt werden. Die Chance, das Stück bis zur Sommerpause zu sehen, ist leider verpasst, aber das Stück wird auch noch im September nichts von seiner Aktualität eingebüßt haben. Unser Tipp: Immer gleich am Ersten eines Monats nach Karten für den Folgemonat gucken. Dann gibt’s sogar Plätze für 7 Euro, die durchaus akzeptabel sind!

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