Es klingelt an der Tür

Es klingelt an der Tür

Was passiert, wenn man bei fremden Menschen an der Wohnungstür klingelt, um sie nach ihrer Lebensgeschichte zu fragen? Dieser Frage geht das Stück „Wodka-Käfer“ nach, das in der Box des Deutschen Theaters gespielt wird und echte Rechercheergebnisse aus dem Jahr 2015 aus einem Mietshaus in Prenzlauer Berg zeigt.

Wie unterschiedlich die Mieter sind, hätte sich die Autorin Anne Jelena Schulte nicht besser ausdenken können als die Wirklichkeit: Acht Personen haben die Tür geöffnet und Schulte hereingebeten. Die eine sucht noch den Sinn ihres Lebens, der andere findet keine Arbeit, die dritte engagiert sich sinnlos, wieder andere versuchen sich von ihrer Übermutter zu befreien oder kämpfen mit einem Trauma ihrer Jugend … Allen gemeinsam ist, dass sie erst zögerlich, dann ausbruchsartig über sich Auskunft geben. So isoliert sie in ihren Wohnungen sind, so groß ist auch ihr Redebedarf.

Einige Regiekniffe tragen sehr zum Gelingen des Stücks bei: Die fünf Schauspieler sind nicht typgerecht besetzt, Junge spielen Alte, Frauen spielen Männer — und das schaffen sie durchaus überzeugend. Zwischendurch verdichten sie mit kurzen Gesangseinlagen die jeweilige Atmosphäre. Für Auflockerung und Erheiterung sorgen die Hintergrundaktivitäten wie das Halten von Socken — als pars pro toto für eine Wäscheleine —, gefilmt wirkende Rückblicke auf ehemalige Mieter von 1980, die nur mit Katzen reden oder sich für Jesus halten, und nicht zuletzt ein wunderbar berlinernder Schädlingsbekämpfer.

Alles in allem ein sehr interessantes Experiment, dem nur die eine oder andere Kürzung nicht schaden würde.

Der Vorverkauf für September beginnt aufgrund der nahenden Sommerpause bereits heute. Ansonsten gibt es immer ab dem 10. eines Monats die Karten für den Folgemonat. Da „Wodka-Käfer“ nur etwa einmal pro Monat gespielt wird, empfiehlt es sich, mit Erinnerungen im Kalender zu arbeiten.

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Die Frau kauft immer die Theaterkarten

Die Frau kauft immer die Theaterkarten

„Hier im Saal ist sicher kein Pärchen, bei dem es nicht die Frau war, die die Theaterkarten gekauft hat!“ Wer auf lustige Halbwahrheiten und Wahrheiten steht, sollte schnell den Weg zu „Cavewoman“ im Admiralspalast finden. Anderthalb Stunden lang schafft es Ramona Krönke, in „einer der erfolgreichsten One-Woman-Shows seit der Steinzeit“ Verhaltensweisen von Männern und Frauen zu analysieren und dabei keine Sekunde Langeweile aufkommen zu lassen.

In der Tat hat man gar nicht den Eindruck, dass sie die alleinige Darstellerin ist: Sie schlüpft auch in die Rolle ihres am Vorabend der Hochzeit davongelaufenen Partners, ahmt Männer und Frauen in unterschiedlichen Situationen nach, kommuniziert mit ihrem Techniker, telefoniert mit einem computergesteuerten Gott-Callcenter und bezieht das Publikum in die Show ein. Und die Zuschauer halten nicht nur als ungeliebte Hochzeitsgäste her. Sie müssen auch Männerverhaltenstests bestehen, von ihrem eigenen — selten vom Mann gemachten — Heiratsantrag berichten und laute Kneipengesänge anstimmen. Ein auf diese Weise aktiv gewordener Jürgen aus Reihe eins wurde gar beim Schlussapplaus vom Publikum mit Jürgen-Jürgen-Rufen belohnt.

„Kein Abend gleicht dem anderen“, verspricht das Programmheft. Das glauben wir sofort. Und so werden wir nie mehr auf dem Gendarmenmarkt am Schillerdenkmal vorbeigehen können, ohne an einen bestimmten Heiratsantrag denken zu können. Unsere Empfehlung: Macht Eure eigene unverwechselbare Cavewoman-Erfahrung!

Caveman haben wir 2001 gesehen, Cavewoman 2016. Kennt jemand schon Cavequeen? Wäre es ratsam, das früher einzutüten als 2031?

In Berlin wieder am 25.6., 30.7. und 27.8.2016; zwischendurch aber auch in schönen Urlaubsorten wie Norderney, Langeoog, Juist und Borkum.

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Man sollte nie verraten, wer der Mörder ist

Man sollte nie verraten, wer der Mörder ist

Man könnte sich daran gewöhnen, an jedem Wochenende gleich zweimal ins Theater zu gehen. Heute verschlug es einen Großteil der Schattenlichter ins Kleine Theater, in dem aber großes Theater zu sehen war: „Die Schachnovelle“, eine Bühnenadaption der gleichnamigen Erzählung von Stefan Zweig.

Die Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes leiden unter Langeweile, bis sie erfahren, dass sich der amtierende Schachweltmeister an Bord befindet. Zuerst scheint es, als wäre er im Spiel den Passagieren weit überlegen, aber dann entpuppt sich ein bis dahin unauffälliger Mitreisender als Schachgenie. Wie kann er das sein, wenn der Mann noch nie mit anderen Menschen Schach gespielt hat?

Würden wir an diese Stelle mehr verraten, wäre es, als erzählte man schon im Programmheft, wer der Mörder in der „Mausefalle“ oder in „Mord im Pfarrhaus“ ist. Denn „Die Schachnovelle“ entpuppt sich als spannender Krimi. Nur soviel sei verraten: Nicht nur das Spiel war großartig, sondern auch bei den Umbauten schlugen die Schattenlichter-Herzen höher. Denn geschickt von hinten beleuchtet, war jede Umbauaktivität wie ein Schattenspiel zu sehen. Super!

Was ist noch besser, als an einem einzigen Wochenende zweimal ins Theater zu gehen? Richtig: von Freitag bis Sonntag zwei Theatergänge und einen Kinobesuch zu genießen. Auf der Hand liegt, sich „Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika“ anzusehen. Auch „Die Schachnovelle“ spielt in dem Film eine Rolle, und der Zuschauer erfährt einiges über die Zeit und die Umstände, unter denen der im brasilianischen Exil lebende Schriftsteller in der Nazizeit seine Novelle geschrieben hat.
„Die Schachnovelle“ gibt es erst wieder nach der Sommerpause im Kleinen Theater am Südwestkorso, aber „Vor der Morgenröte“ läuft zurzeit in vielen Berliner Kinos, zum Beispiel im Delphi in der Kantstraße. „Viel Vergnügen“ lässt sich bei so einem Film nicht wünschen, aber: „Gute Weiterbildung!“

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Spandauer Schattenlichter

Spandauer Schattenlichter

Auch in Spandau gibt es sowas wie die Schattenlichter: das „MAGMA Theater Spandau“. Wie die Schattenlichter spielt die Laiengruppe seit mehreren Jahrzehnten im Herzen ihres Bezirks in der Nähe des Rathauses — und zwar alles, was ihr Spaß macht, ob Drama, Komödie, Klassik oder Moderne.

Kurzentschlossene können am morgigen Sonntag, dem 19. Juni 2016, noch die letzte von sieben Aufführungen von „Alles für Dich“ sehen. Das Stück hat Christian Engels nicht nur für MAGMA inszeniert, sondern auch geschrieben. Es ist eine pure Komödie — unterhaltsam, lustig und bisweilen arg überzogen. Die Darsteller, die bei MAGMA wie bei den Schattenlichtern eine große Altersspanne umfassen, spielen ihre Rollen durch die Bank weg gut; besonders hervorzuheben ist Frank Kossecki als betrügerischer Notar.

Laut Programmheft hat MAGMA seit 1990 rund 15.000 Zuschauer erreicht. Was man nicht alles berechnen kann! Versuchen wir es für die Schattenlichter; wir sind wirklich gespannt: 34 Aufführungen, davon rund 14 mit 300 Zuschauern, rund 20 mit 600 Zuschauern – summa summarum 16.200, wenn wir uns zu so später Stunde nicht verrechnet haben. MAGMA hat seine 35 Aufführungen allerdings in 26 Jahren vollbracht; die Schattenlichter werden ihre 35. Aufführung – „Boeing Boeing“ – erst in ihrem 32. Jahr zeigen. Und damit genug der Statistik für heute!

Letzte Vorstellung: Sonntag, 19.6.2016, 18 Uhr; Karten kosten 10 Euro und können unter Magma-Theater reserviert werden.

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Engagiert mit 80

Engagiert mit 80

Kann man einen Theater-Tipp geben, wenn man sich ausgerechnet die Derniere eines Theaterstücks angesehen hat?

Man kann – zumindest, wenn man im Schlossparktheater war und nun ganz allgemein für den Hauptdarsteller und für das Haus eine Lanze brechen möchte! Wenngleich Gerhard Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang“ leider – trotz ausverkaufter Derniere – nicht mehr zu sehen sein wird, empfehlen die Schattenlichter wärmstens einen Besuch im Schlossparktheater. Der 80-jährige Theaterchef beeindruckt mit seiner starken Bühnenpräsenz. Auch wenn Hauptmann mit seinem Stück durchaus keine Lust darauf macht, 80 Jahre alt zu werden: Dieter Hallervorden zeigt, wie man mit 80 brillieren und sich erfolgreich engagieren kann. Hut ab!

Die nächste vielversprechende Produktion in Hallervordens Theater ist „Honig im Kopf“ mit Premiere am 18. Juni 2016 und zahlreichen Aufführungsterminen auch im Hochsommer, wenn andere Theater Spielpause haben. Den Meister selbst bekommt man sicherlich am Samstag, 25. Juni 2016, beim ganztägigen Sommerfest im Schlossparktheater zu Gesicht. Zumindest haben ihn die Schattenlichter bei der gelungenen Vorjahresveranstaltung gesehen.

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Entartete Kunst

Entartete Kunst

Das gibt es nicht oft: ein Theaterstück, das Lust auf den Besuch eines Kunstmuseums macht! Bei „Entartete Kunst – Der Fall Cornelius Gurlitt“ im Renaissance-Theater stehen jede Menge wunderbare Bilder im Mittelpunkt, die bei Routineermittlungen der Staatsanwaltschaft quasi zufällig in Gurlitts Münchner Wohnung gefunden wurden. Da gibt es schillernde Vertreter von Impressionismus, Expressionismus, Cubismus und anderen -ismen, ob deren Schönheit man sofort versteht, warum sich Gurlitt von „seinen“ Werken nicht trennen kann. Wenn er die Bilder als seine „Familie“ bezeichnet, versteht man genau, was er empfindet, auch wenn der verschrobene dauergeile Egomane ansonsten wenig Identifikationspotenzial bietet.

Dem Renaissance-Theater ist eine spannende, aufschlussreiche und witzige Inszenierung gelungen, die viele Fragen beantwortet und einige Fragen aufwirft. Genauso sollte ein Theaterabend sein!

Die Schattenlichter empfehlen: Schnell hingehen, und zwar am 21., 22., 24., 25. oder 26. Mai 2016, und am nächsten Tag ab ins Brücke-Museum!

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30-Jährige über 30-Jährige

30-Jährige über 30-Jährige

30 Jahre Schattenlichter sind nichts gegen 30 Jahre „Linie 1“! So lange schon läuft das Berlin-Musical im GRIPS-Theater am Hansaplatz! Die Schattenlichter gratulieren!

Bei der gestrigen Jubiläumsaufführung saßen neben normalen Theaterbesuchern zahlreiche Berliner Prominente und ehemalige Mitspieler im Publikum. Die Aufführung geizte nicht mit Anspielungen auf das Jubiläum im Stücktext. Große Freude und auch Rührung kamen auf, als langjährige ehemalige Mitspieler – wie Thomas Ahrens – einzelne Rollen aus „Linie 1“ übernahmen oder in großer Ballung im touristischen Chor „Wittenbergplatz, Nollendorfplatz …“ mitsangen. Die Band „No Ticket“ spielte in der Originalbesetzung von 1986 und gab mit „Purple Rain“ eine emotionale Sondereinlage. Der GRIPS Chor präsentierte mit „Unbekanntes Mädchen“ ein altes „Linie 1“-Lied, das unverdienterweise vor langer Zeit Kürzungen zum Opfer gefallen war. Am Schluss sang das gesamte Publikum mit den Darstellern das meistnachgespielte „Linie 1“-Lied, das herzerweichende Lied der Maria („Hey du“). Den als Übertitel eingeblendeten Liedtext benötigten echte „Linie 1“-Fans nicht; sie bemerkten sogar eine nicht aktuelle Passage und sangen sie richtig.

Ab heute wird „Linie 1“ teilweise in neuer Besetzung gezeigt. Aber auf einen ist Verlass: Dietrich Lehmann (Lemmi) spielt weiterhin als Herrmann, Penner, genervter Ehemann und frustierter Handwerker mit – wie schon bei den 1.723 vergangenen Aufführungen. Seit der Premiere hat er keine einzige verpasst. Mögen er und „Linie 1“-Autor und GRIPS Gründer Volker Ludwig dem Berliner Publikum weitere 30 Jahre erhalten bleiben!

Unsere Empfehlung: „Linie 1“ in Neubesetzung am 5., 6., 7. und 8. Mai 2016; es gibt noch Restkarten!

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Gebrüllt, gespuckt, gekloppt und geheult

Gebrüllt, gespuckt, gekloppt und geheult

Wer „Frau Müller muss weg“ bei den Schattenlichtern mochte, wird sich auch im Hans-Otto-Theater gut amüsieren. Hier sind die Rollen noch überzogener, die Cholerischen noch cholerischer, die Psychos noch psychotischer und die Grundschulpädagogen noch grundschulpädagogischer. Es wird über Taschen gestolpert und von Stühlen gefallen, was das Zeug hält; es wird gebrüllt, gespuckt, gekloppt und geheult.

Die hohe Kunst, dabei trotzdem glaubwürdig zu wirken, beherrschten die beiden Darsteller von Wolf und Patrick am besten, während Katjas Gemütsschwankungen hin und wieder unmotiviert wirkten.

Besonders beeindruckend: Wenn man innerhalb eines Vierteljahres drei unterschiedliche Inszenierungen des Hans-Otto-Theaters gesehen hat, kann man staunen, wie wandlungsfähig einige Darsteller sind: Da kann einer einen 14-jährigen kleinkriminellen Russen spielen und überzeugt im nächsten Moment als verheirateter Büroangestellter. Toll!

Wieder Mo., 16. Mai, Di., 17. Mai, So., 12. Juni, Mo., 20. Juni 2016, in der Reithalle des Hans-Otto-Theaters in Potsdam. Dann ohne sieben kichernde Schattenlichter im Publikum!

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Kein Stück für die Volkshochschule

Kein Stück für die Volkshochschule

Wer nicht viel liest, aber gerne mitredet, wird sicherlich auf den Titel „Alle deutschen Dramen an einem Abend“ anspringen und sich wundern, dass dieses Programm nicht in der Volkshochschule, sondern im BKA am Mehringdamm angeboten wird.

Hat er sich über steile Treppen oder den langsamsten Aufzug Berlins in die fünfte Etage hochgearbeitet, wird er mit der Ankündigung belohnt, dass er nach dem Theaterabend über das Wissen eines gesamten Germanistik-Grundstudiums verfügen werde. Der Germanist im Publikum denkt sich, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen, aber er wird eines Besseren belehrt. Denn den vier Schauspielern von „Unter Niewo“ gelingt es nicht nur, einen Querschnitt durch die deutsche Dramenlandschaft zu präsentieren, sondern auch stilistische Besonderheiten wie den Brechtschen Verfremdungseffekt anschaulich zu erläutern.

Das Ganze ist aber keineswegs so trocken, wie es klingt, denn jedes Drama wird unterschiedlich umgesetzt — etwas als Schattenspiel zur Freude der Schattenlichter, als Showeinlage, als Rap, als Präsentation von Kermit dem Nachrichtensprecher-Frosch, als Star-Wars-Version, als Reinhard-Mey-Balalde oder als psychoanalytische Aufstellung. An Querelen, Eifersüchteleien und Psychosen im Darstellerteam mangelt es nicht, und auch die ständig wechselnden Kostüme von Glitzerlook bis zur mehr oder minder funktionstüchtigen Penisattrappe tragen zur Kurzweil bei.

Besondere Empfehlung: Ein Sitzplatz zum attraktiven Preis von 21 Euro in der letzten Reihe über den Köpfen des Theaterpublikums in direkter Nachbarschaft zu Tontechniker und Beleuchter — denn wie die beiden äußerst lässig ihre beeindruckende Anlage steuern, ist ein Erlebnis für sich.

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Leb endlich mal in der Realität!

Leb endlich mal in der Realität!

Wer — wie die Schattenlichter — derzeit ein Stück von Lutz Hübner komplett auswendig kennt, hat viel Spaß dabei, sich ein weiteres Stück dieses Autors anzusehen: Bemerkenswert viele Parallelen gibt es zwischen „Frau Müller muss weg“ und „Richtfest“, das gestern zum letzten Mal im Hans-Otto-Theater im Potsdam zu sehen war.

Nur die Thematik ist unterschiedlich: Beim „Richtfest“ geht es nicht darum, eine zu streng benotende Lehrerin abzusetzen, sondern um eine Baugemeinschaft, die sich den Traum vom Wohneigentum verwirklichen will. Aber in beiden Stücken erlebt man anschaulich, wie Solidarität im Angesicht von Eigeninteressen scheitert. Beide Male treffen Menschen aufeinander, die sich kaum kennen und auf den ersten Blick nett und unkompliziert wirken, die sich aber im Laufe des Theaterabends als streitsüchtig entpuppen, arge Beziehungsprobleme haben, mit ihren Kindern nicht zurechtkommen usw. Die Fronten verhärten sich: bei „Frau Müller“ vor allem Ost gegen West, arbeitslos gegen arbeitsbesessen, beim „Richtfest“ burgeois gegen kommunistisch, kinderlos gegen familienzentriert, reich gegen schmarotzerisch. Da lachten die Schattenlichter nicht nur über wohlbekannte Formulierungen wie „Leb endlich mal in der Realität“ und über die sich im Kreis drehenden, schwer zu lernenden Dialoge, sondern auch über wohlbekannte Schlägereien, heruntergeworfene Tabletts und fliegende Blumensträuße.

Sogar das Ende beider Stücke ist ähnlich: Was harmonisch begann, endet im totalen Chaos; die Charaktere sind verstört, die Bühne ist verdreckt, das Vorhaben ist gescheitert. Aber während der Zuschauer aus „Frau Müller muss weg“ nicht viel lernen kann – denn er wird trotz allem wieder Elternabende besuchen müssen -, kann er aus „Richtfest“ eine klare Botschaft ablesen: Finger weg von Baugemeinschaften!

Kann man einen Theater-Tipp über ein Stück schreiben, das gestern Dernière feierte? Ja, verbunden mit einer Reiseempfehlung: „Richtfest“ wird derzeit auch im Schauspielhaus Bochum und im Badischen Staatstheater Karlsruhe gespielt. Diese Inszenierungen sind bestimmt ebenfalls sehenswert, da ja die Textvorlage gut ist. Aber zweierlei war im Hans-Otto-Theater sicherlich einmalig: Zum einen eine Darstellerin, die unübersehbar hochschwanger ist, aber in ihrer Rolle verkünden muss, dass sie gerade erst erfahren hätte, dass sie schwanger sei! Und zum anderen die bildliche Umsetzung der Redewendung „jemanden im Regen stehen lassen“: Zwei Stunden lang tropft es in unterschiedlicher Intensität von der Bühnendecke, und immer wieder werden Charaktere, die Hilfe benötigen, im Regen platziert, wo sie pitschnass werden, weil ihnen niemand einen Platz unter seinem Schirm anbietet.

Die Schattenlichter gehen nach dem Lutz-Hübner-Abend beschwingt nach Hause — froh darüber, dass diesmal nicht sie für das Aufräumen der verwüsteten Bühne zuständig sind.

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