Sommerangebote nutzen (Teil 2)

Sommerangebote nutzen (Teil 2)

Auch das Steglitzer Schlossparktheater lockt gerade mit attraktiven Preisangeboten: In den Sommerferien dürfen sich erwachsene Theaterbesucher kostenlos von ihren Kindern begleiten lassen. Da man von allen Plätzen aus gut sehen kann, kommen auf diese Weise fünf Schattenlichter für sagenhafte 36 Euro ins Theater. Sensationell!

Das neue Stück „Funny Money“ ist heiteres, unterhaltsames Sommertheater: Ein ältlicher Steglitzer – von seiner Frau für einen langweiligen Versager gehalten – verwechselt in der U-Bahn seinen Aktenkoffer, der langweilige Versagerutensilien wie Klappstullen mit Ei und Schinken enthält, mit einem Aktenkoffer, in dem sich 735.000 DM befinden.
Nun will er das Leben genießen und sich mit seiner Frau mit dem nächstbesten Flug ins Ausland absetzen, bevor ihm der Besitzer des Geldes auf die Schliche kommt und ihm den Koffer oder gar das Leben abnimmt.

Dass das Absetzen nicht so einfach gelingt und es zu zahlreichen Verwicklungen und Verwirrungen kommt, liegt auf der Hand. Manches davon ist vorhersehbar, aber vieles ist dennoch ausgesprochen komisch.
Autor Ray Cooney beherrscht sein Geschäft und zieht alle Register – von Wortspielen und Missverständnissen bis zur obligatorischen vielfachen Verwechslung des bewussten Koffers. Die Schauspieler setzen diese Schneeballkomödie mit gutem Tempo um, so dass die Zuschauer nach zwei Stunden etwas atemlos vom unsinnigen Geschehen und mit Seitenstechen vom Lachen in den Sommerabend entlassen werden.

Unser Tipp: Sich Kinder schnappen und das Angebot noch bis 3.9.2017 annehmen!

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Sommerangebote nutzen (Teil 1)

Sommerangebote nutzen (Teil 1)

Im August begeben sich die Schattenlichter zu zwei Bühnen, die der Sommerpause mutig trotzen und Zuschauer mit besonderen Vergünstigungen zu sich zu locken versuchen.

Im ersten Fall ist die Ersparnis besonders groß: Das Starlight Express Theater in Bochum bietet bis 9. September fünf Karten für Familienmitglieder bzw. vier Karten für Freunde für 99 Euro an (günstigste Preisklasse; auf besseren Plätzen entsprechend teurer). Eine gute Gelegenheit, das berühmte Musical von Andrew Lloyd Webber endlich einmal zu sehen — schließlich wird es in Bochum seit 1988 pausenlos in einem eigens dafür errichteten Gebäude aufgeführt! Es gilt damit als das am längsten gespielte Musical der Welt.

Die vierstündigen Bahnanreise lohnt sich, denn die Aufführung ist beeindruckend: Alle Darsteller sind auf Rollschuhen oder Inlinern unterwegs, und sie bewegen sich auf Bahnen, die direkt durchs Publikum verlaufen. So etwas haben wir noch nicht gesehen!

Die Handlung wird komplett gesungen, was auch für Freunde des Sprechtheaters okay ist, weil die Sprechtexte in Musicals ja oft ohnehin nur Beiwerk sind. Der Schwerpunkt liegt eben anderswo. In Bochum liegt er auf dem Rollschuhlaufen und auf dem Gesang. Diese doppelte Herausforderung zu meistern, ist nicht einfach. Daher wird das Ensemble international rekrutiert, was nicht immer zu einem einfachen Verständnis des Textes führt. Natürlich begreift man die Handlung auch, wenn es heißt: „Ich habe dich gesücht“, aber es irritiert doch ein wenig.

Ach ja, die Handlung: Das Musical dreht sich um ein Wettrennen von Lokomotiven unterschiedlicher Antriebsarten und Nationalitäten. Der sympathischen Dampflok Rusty wird aufgrund ihrer veralteten Technik keine Gewinnchance eingeräumt, aber schließlich macht Rusty das Rennen doch und gewinnt das Herz seiner Angebeteten.

Herausragend sind die Singstimme von Rustys Vater und die Rollschuhlaufkünste des gesamten Ensembles. Wie synchron sich die 20 Darsteller auf den Rollen bewegen können, ist erstaunlich! Schön ist auch das abwechslungsreiche Musikangebot: Je nach Charakter der Lokomotive oder Aufregung der Szene kommen Pop, Rock, Blues und Electro zum Einsatz. Die Darbietung wird mit passenden Lichteffekten untermalt: mal hektisches Flimmern, mal beleuchteter Kunstnebel, mal kitschig-romantischer Sternenhimmel.

Unsere Empfehlung: Die letzten Ferientage nutzen und unverzagt ins Ruhrgebiet fahren — am besten zum Musicalthema passend mit der Bahn!

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Lachend in die Sommerpause

Lachend in die Sommerpause

Bevor die Theater-Sommerpause und die Urlaubszeit beginnen, hat es drei Schattenlichter in die Distel gezogen. Unsere letzten Erinnerungen an diesen Ort stammen aus der Nachwendezeit, als wir dem politischen Nummernkabarett atemlos lauschen und die Hälfte nicht verstanden, weil uns die dargestellten Politiker fremd waren.

Diesmal war es anders; das politische Geschehen bewegte sich auf einem Niveau, dem einigermaßen informierte Normalbürger lückenlos folgen konnten. Sehr angenehm war, dass nicht einzelne Nummern dargeboten wurden, sondern eine komplette Handlung: Drei erfolglose und finanziell abgebrannte Berliner gründen in ihrer Wohnung in Berlin-Mitte einen eigenen Staat, um keine Steuern zahlen zu müssen und die Regeln selbst aufstellen zu können. Doch schon bald stellen sich Probleme ein: Steuerbetrüger und andere Kriminelle versuchen, sich in dem neuen Staat Vorteile zu verschaffen, und dann kommen auch noch Trump und Merkel zu Besuch …

Ganz nebenbei werden dem erfreulich altersgemischten Publikum die drei Standardantworten vermittelt, mit denen jeder in einem politischen Interview bestehen kann:
1. Da müssen wir nochmal ran!
2. Das hat mein Vorgänger versaut!
3. Das wird aber nicht billig!

Unser Tipp: Diese Woche noch hingehen – und dann lachend ab in die Sommerpause!

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Mitleid mit den Unter-60-Jährigen

Mitleid mit den Unter-60-Jährigen

Bei den meisten Theatern steht die Sommerpause unmittelbar bevor. Wir haben uns vorher noch einmal ins GRIPS Theater begeben, um das Stück zu sehen, das zum 80. Geburtstag des Theatergründers Volker Ludwig im Juni 2017 in einer Neuinszenierung erschien: „Eine linke Geschichte“.

Das Stück zeigt die Geschichte der 1968er Studentenrevolte, erzählt am Beispiel dreier Studenten. Das Ganze spielt natürlich in Berlin, den zum einen ist es ja ein GRIPS-Stück, zum anderen war Berlin ja der zentrale Schauplatz. Ergänzt wird diese Geschichte durch Szenen aus dem Reichskabarett, dem Vorgänger des GRIPS. Sehr erfreulich, dass hierbei auch drei Schauspieler an Bord sind, die schon in früheren Fassungen der „Linken Geschichte“ mitspielten: Dietrich Lehmann, Thomas Ahrens und Claudia Balko.

Auch die Jüngeren machen ihre Sache hervorragend: Sie überzeugen als dynamische Studenten voller Ideale, die mit dem Mief des Nachkriegsdeutschlands Schluss machen wollen und dabei hin und wieder über ihre eigene bürgerliche Erziehung stolpern.

Neu an der Neufassung sind die einleitenden Texte zu den einzelnen Szenen, „damit auch die Unter-60-Jährigen im Publikum etwas verstehen“, und das Ende der „Linken Geschichte“. Endete die Geschichte in der letzten Version noch desillusioniert in der Uckermark, so finden sich diesmal die ehemaligen Studenten und Kabarettisten 2017 im GRIPS Theater ein, um weiterhin aufzuklären und Missstände anzuprangern. Eine rundum überzeugende Leistung, unbedingt vorzumerken für die Zeit nach der Sommerpause!

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Pausenloses Theater

Pausenloses Theater

Schrieben wir kürzlich an dieser Stelle über den bizarren Trend, Theaterstücke ohne Pause in 90 Minuten aufzuführen, so können wir nun gar von einer Steigerung berichten: Die Schaubühne zeigt ihren „Professor Bernhardi“ ohne Pause in 2 Stunden und 45 Minuten.

Uff, möchte man schon im Vorfeld denken, und es ist denn auch so, dass die Pause fehlt, um sich mit den anderen Schattenlichtern über das Bühnengeschehen auszutauschen und um eventuell anderen noch profaneren Bedürfnissen nachzukommen. Dennoch lassen sich die gefühlten drei Stunden gut aushalten, denn das Arthur-Schnitzler-Stück ist kurzweilig und packend.

Der 100 Jahre alte Stoff wirkt im modernen Bühnenbild erstaunlich zeitlos, denn Opportunismus, Karrieristen und Lügner gab es damals wie heute. Jörg Hartmann nicht als Stasimann oder Tatort-Kommissar im Fernsehen zu sehen, sondern live auf einer Bühne, ist toll. Umso erfreulicher, dass dieser wandlungsfähige Schauspieler nun wieder fest zum Ensemble der Schaubühne gehört, wie schon einmal ein Jahrzehnt lang ab 1999.

Raffiniert ist auch das Bühnenbild: Es ist schlicht, arbeitet aber häufig mit Live-Filmaufnahmen von der Bühne, die mit vorab erstellten Filmen vermischt werden. Die Chance, das Stück bis zur Sommerpause zu sehen, ist leider verpasst, aber das Stück wird auch noch im September nichts von seiner Aktualität eingebüßt haben. Unser Tipp: Immer gleich am Ersten eines Monats nach Karten für den Folgemonat gucken. Dann gibt’s sogar Plätze für 7 Euro, die durchaus akzeptabel sind!

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„Es war die schönste Zeit meines Lebens: Ich war jung, und ich war verliebt!“

„Es war die schönste Zeit meines Lebens: Ich war jung, und ich war verliebt!“

Und wieder hat es ein beliebter Kinofilm auf die Bühne geschafft: „Sonnenallee“, der erfolgreiche Film von Thomas Brussig, Detlev Buck und Leander Haußmann aus dem Jahr 1999. Fünf Schattenlichter reisten nach Cottbus, um sich am dortigen Staatstheater die Bühnenfassung von Ralph Reichel anzusehen.

Die Handlung folgt weitgehend dem Geschehen im Film: Es geht um den 17-jährigen Michael, der in den 1980er-Jahren am kürzeren Ende der Sonnenallee lebt, also in Ost-Berlin. Dort verbringt er mit seiner Clique eine gute Zeit, denn Micha ist jung und verliebt. Aber er ist auch dem DDR-Alltag mit drohender Armeeverpflichtung, endlosen FdJ-Veranstaltungen und nervender Mangelwirtschaft ausgesetzt.

Vieles davon ist eigentlich problematisch, kommt auf der Bühne aber heiter rüber, wie die wiederholen Versuche von Michas Mutter, die Grenze zu überschreiten, der tägliche Kontakt mit dem kontrollwütigen Abschnittsbevollmächtigten oder das Alkoholproblem der Mutter von Michas Angebeteter. Auch ein zentraler Konflikt des Films löst sich im Stück zu schnell auf, nämlich dass Michas bester Freund, eigentlich der Freiheitskämpfer? und Querdenker der Clique, sich von der Stasi anwerben lässt, nachdem er von der Schule geworfen wurde und Vater wird.
So verleben die Zuschauer einen heiteren und dank einer spielfreudigen Band mitreißenden Abend, was zum einen schön ist, doch zum anderen bedauern lässt, dass es nicht mehr treffende und nachdenklich stimmende Bemerkungen gibt wie diese: „Dieses Land schafft alle Farben ab; hier ist alles grau.“

Gut ist das Bühnenbild, das eine offene Drehbühne geschickt nutzt, um parallele Handlungen zu zeigen, und das ein graues großes Wort „OST“ einem goldenen, beleuchteten „WEST“ entgegensetzt, das seinen Glanz und sein Leuchten verliert, als Michas Mutter die West-Illusionen abhanden kommen.

Es gibt begeisterten Schlussapplaus mit Zugabe. Wer schnell und spontan ist, kann schon heute um 19:30 Uhr eine Zeitreise in die DDR unternehmen; ansonsten muss bis zur nächsten Spielzeit gewartet werden. Übrigens sind nicht nur das Stück, sondern auch die Theaterarchitektur (Historismus von 1905) und die Stadt Cottbus einen Ausflug wert. Eine Übernachtung empfiehlt sich drei Minuten vom Theater entfernt im Altstadthotel.

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Beliebte Filme auf der Bühne

Beliebte Filme auf der Bühne

Schon mehrfach haben wir an dieser Stelle den schönen Trend kommentiert, aus beliebten Filmen oder Romane Theaterstücke zu machen — und umgekehrt. Ein besonders gelungenes Beispiel hatte Ende April in der Komödie am Kurfürstendamm Premiere. Jetzt haben es auch fünf Schattenlichter gesehen.

Der Titel wurde 1:1 von einem Kinofilm übernommen, der 2014 mit Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn und Gisela Schneeberger herauskam: „Wir sind die Neuen“. Im Mittelpunkt der Handlung stehen drei Rentner, die in den 1960ern gemeinsam in einer Studenten-WG wohnten und sich 2014 entscheiden, wieder zusammenzuziehen, da ihnen das Geld knapp wird und sie sich auch im Alter unterstützen möchten.

Beim Einzug in die neue WG-Wohnung stehen sie begeistert fest, dass sich in der Wohnung über ihnen eine Studenten-WG befindet. Die Studenten teilen jedoch diese Begeisterung nicht, denn ihr Studium sieht gänzlich anders aus als das der Alt-68er: Die Zeit ist straff verplant, man studiert zwei Jahre statt 18 Semester, und zwölf Stunden am Tag wird gelernt. Dass dabei das Leben zu kurz kommt, merken die Studenten ebenso wenig wie dass es essenziell ist, nicht nur für die Prüfungen auswendig zu lernen, sondern die Materie auch zu verstehen und auf reale Situationen anwenden zu können.

Im Konflikt zwischen den unterschiedlichen WGs fallen viele unfreundliche Worte, bis sich die Jungen schließlich darauf einlassen, von der Lebenserfahrung der Alten zu profitieren. Das Ganze gestaltet sich kurzweilig. Bei allem Witz wird auch manches ernste Thema angeschnitten – wie die Fragen, ob die Alten umsonst für ihre Ideale gekämpft haben, warum sie für soziale Arbeit weniger Geld verdient haben als andere, und nicht zuletzt natürlich die Angst vor Alter, Einsamkeit und Krankheiten.
So unterschiedlich die beiden WGs sind, das Publikum ist eindeutig auf der Seite der Rentner. Die Studenten bieten keinerlei Identifikationsmöglichkeiten – erstaunlicherweise nicht einmal für die Jugendlichen im Publikum. Dies gilt für den Film ebenso wie für das Theaterstück, deren drei Rentner Henrich Schafmeister, Winfried Glatzeder und Claudia Rieschel um einiges sympathischer rüberkommen als die studentischen Pendants.

Ganz anders als im Film, aber noch viel origineller ist das Bühnenbild. Zweierlei ist besonders genial: Zum einen sieht es von weitem wie ein großer Umzugskarton aus, von nahem wie eine WG-Wohnung. Zum anderen teilen sich diese Wohnung die drei jungen und die drei alten Schauspieler, obgleich sich die Handlung in beiden Wohnungen abspielt. Auch wenn sie sich in denselben Zimmern befinden, versteht man sofort, wer sich gerade in welcher Wohnung befindet.

Wem diese Bühnenbildbeschreibung zu verworren ist oder wer einen rundum netten Abend verbringen möchte, dem sei das Stück wärmstens ans Herz gelegt: Ab heute quasi täglich bis zum 11. Juni 2017.

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Das wird super!

Das wird super!

Die Schattenlichter haben schon so manches Mal aus der Not eine Tugend gemacht, indem sie ihre Generalprobe für diejenigen Zuschauer öffneten, die keine Karten mehr für die Stückpremiere bekommen hatten. Aber auch manche Profitheater erlauben den Zuschauern vor der Premiere einen Blick auf ihre neue Produktion. So nahmen heute zum ersten Mal fünf Schattenlichter an einer öffentlichen Generalprobe im GRIPS Theater teil – und das GRIPS konnte testen, wie das neue Stück ankommt.

„Alle außer das Einhorn“ heißt das Stück von Kirsten Fuchs, das morgen Premiere feiern wird. Wenn alles so läuft wie bei der Generalprobe, wird es super! Zutaten für das Werk sind – wie so oft im GRIPS – ein aktuelles Thema, glaubwürdige Figuren, eine Handvoll extrem wandlungsfähiger Schauspieler, eingängige Musik und kurze, knackige, schnörkellose Dialoge in einem originellen, modernen Bühnenbild.

Das aktuelle Thema, Cybermobbing, hielt das Generalprobenpublikum über die gesamte Stückdauer in Atem; die Zuschauer wurden als Weiterverbreiter von Nachrichten und somit als Mittäter in die Inszenierung eingebunden. Die Hauptzielgruppe – Menschen ab elf – war auch von der Musik und den Performances begeistert, die gut zum Stück passten und der Eltern- und Großelterngeneration neue Seh- und Hörgewohnheiten abverlangten.

Wie immer wurde quasi nebenbei jede Menge Information gegeben, so dass die altersgemischten Schattenlichter auf den Heimweg viel Stoff zum Diskutieren hatten. Was das elfjährige Schattenlicht am beeindruckendsten fand: dass René Schubert nicht nur glaubwürdig einen überbesorgten Vater spielen kann, sondern auch einen Zockersiebtklässler mit schlechter Haltung und ebenso schlechter Aussprache. Diese Doppelrolle fiel dem Zuschauer erst in der Schlussszene auf. Bravo!

Wir sagen für morgen toi toi toi!

Die Premiere ist zwar ausgebucht, aber für folgende Vorstellungen sind noch Karten zu haben: Sa., 20.5., Mo., 29.5., Fr., 14.7. und Sa., 15.7.2017, jeweils um 18 Uhr.

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Theatermarathon

Theatermarathon

Vier Theaterbesuche in nur neun Tagen — so einen schönen Theaterrhythmus haben auch die Schattenlichter selten. Da kommt man aus dem Tippschreiben gar nicht heraus.

2015 spielten die Schattenlichter Erich Kästners Komödie „Verwandte sind auch Menschen“, ein eher unbekanntes Stück des großen Autors. Heute hingegen sahen sich fünf Schattenlichter Kästners bekanntestes Werk auf der Bühne des ATZE Musiktheaters an: „Emil und die Detektive“.

Die Inszenierung von Theatergründer Thomas Sutter aktualisiert das Stück, hält aber auch an Elementen der 1920er-Jahre fest: So besteht Gustavs modernisierte Berliner Clique — die im Original rein männlich ist — aus basecaptragenden Jungs und Mädchen, Schwarzen, Gehörlosen und Vegetariern, hat aber auch zwei Mitglieder mit klassischen Knickebockerhosen, Hosenträgern und Ballonmützen. Smartphones hat niemand, so dass die Verfolgung des bösen Herrn Grundeis, der Emil beim Bahnfahren 300 Euro (!) gestohlen hat, mit herkömmlichen Kommunikationsmitteln erfolgen muss.

Wie im Musiktheater üblich, wechseln die Schauspieler gekonnt zwischen Sprechtext und Singtext, und Instrumente sorgen nicht nur für Melodien, sondern auch für Geräusche. All das erzeugt eine Dynamik, die das Publikum — in dem sich immerhin auch zahlreiche Sechsjährige befanden — zweieinhalb Stunden problemlos bei der Stange hält.

Haben wir noch gestern beim Tippschreiben über ein einfallsloses Bühnenbild gemeckert, können wir schon heute Abend ein originelles Bühnenbild loben: Eigentlich nur aus ein paar Baugerüststangen und Holzplatten bestehend, ist es nicht nur für einen Zug geeignet, sondern stellt auch überzeugend eine Rathauswand, ein Hotel, eine Bankfiliale und ein Gefängnis dar.

Auch die Leistung der Schauspieler überzeugt: Einige haben feste Rollen, andere springen mühelos zwischen verschiedenen Nebenrollen. Besonderen Applaus verdient — und bekommt — Folke Paulsen als Herr Grundeis. Wer in den hinteren Reihen sitzt, zückt das Fernglas, um sicherzugehen, dass nicht Wotan Wilke Möhring diese Rolle spielt. Körperbau und Spielweise ähneln sich frappant!

Kurzum eine gelungene und stimmige Gesamtleistung, die nicht nur Familien empfohlen sei!

Die nächsten 16-Uhr-Vorstellungen gibt es am Samstag, 29. April und an den Sonntagen 9. April, 21. Mai, 28. Mai und 11. Juni. Zudem gibt es ab morgen diverse 10:30-Uhr-Vorstellungen.

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Ein Konflikt kommt selten allein

Ein Konflikt kommt selten allein

Die Schattenlichter kennen sich mittlerweile ganz gut mit dem deutschen Gegenwartsautor Lutz Hübner aus: 2016 haben sie sein Stück „Frau Müller muss weg“ aufgeführt und sich dafür auch mit den Inszenierungen des GRIPS Theaters und des Hans-Otto-Theaters befasst. Ebenfalls 2016 und ebenfalls im Hans-Otto-Theater sahen sich die Schattenlichter Lutz Hübners „Richtfest“ an. Gestern war nun sein Stück „Wunschkinder“ im Renaissance-Theater an der Reihe, mit sieben Schattenlichtern im Publikum.

Da gab es vieles, das den Schattenlichtern vertraut vorkam: Wie in seinen beiden anderen Stücken behandelt Lutz Hübner in kurzen, knackigen Dialogen Probleme von durchschnittlichen Menschen von heute. Wie in „Frau Müller“ und „Richtfest“ geht auch „Wunschkinder“ von einem einzigen Hauptkonflikt aus: Bei „Frau Müller“ wollen ehrgeizige Eltern die Klassenlehrerin ihrer Kinder loswerden; bei „Richtfest“ wollen zu unterschiedliche Menschen gemeinsam ein Mehrfamilienhaus errichten, und bei „Wunschkinder“ wollen übermotivierte Eltern ihren Sohn zu mehr Ehrgeiz anstacheln. Aus allen drei Konflikten erwachsenen jeweils jede Menge anderer Konflikte. Soweit ist die einheitliche Lutz-Hübner-Linie erkennbar.

Die Schattenlichter hatten allerdings die Empfindung, dass der Autor bei „Wunschkinder“ ein wenig zu viel des Guten — oder eigentlich Schlechten — wollte. Man weiß kaum, wo man bei der Aufzählung der Folgekonflikte anfangen soll: Bevormundungskonflikt, Arm-Reich-Konflikt, Gesund-Krank-Konflikt, Selbstherrlichkeitskonflikt, Cholerikerkonflikt, Schwangerschaftskonflikt, Verantwortungskonflikt, Gewaltkonflikt, Kopf-in-den-Sand-Konflikt, Minderwertigkeitskonflikt, Hausfrau-Berufstätigenkonflikt, Entwurzelungskonflikt, Mutter-Tante-Eifersuchtskonflikt und und und …

In der zweiten Stückhälfte war es manchmal nur noch anstrengend. Dabei spielten die sechs Schauspieler durchaus intensiv und überzeugend. Vor allem Angelika Milster als Rockertante und Judith Rosmair als labile „Schwiegermutter“ waren großartig. Auch wurden die verschiedenen Konfliktszenen oft geschickt miteinander verknüpft, indem sie zeitgleich auf der Bühne erfolgten. Dem Gefühl, dass es jetzt aber mal gut sei mit den Konflikten, hatte dies aber nicht genug entgegenzusetzen.

Auch beim Bühnenbild wurde eine Chance vertan: Die karge Bühne mit Turnringen und Wattenmeerpanorama war nicht gerade das Originellste, das die Schattenlichter je gesehen haben. Für echte Lutz-Hübner-Freunde war dieser Abend — nun ja — ein Konflikt …

Wieder am 2. April 2017 um 16 Uhr sowie vom 18. bis zum 21. April um 20 Uhr.

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