Einmischung ist wichtig

Einmischung ist wichtig

Der letzte Theaterbesuch der Schattenlichter im Jahr 2019 ist sicherlich auch der anspruchsvollste; er führte vier Schattenlichter ins Hans-Otto-Theater in Potsdam, wo sich die Gruppe schon mehrfach Stücke ihres Lieblingsautors Lutz Hübner angesehen hatte.

Diesmal stand eine Bühnenfassung von Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ auf dem Spielplan: Nach der Parole „Führer befiehl, wir folgen!“ haben auch Anna und Otto Quangel ihr Leben eingerichtet. Das Ehepaar wohnt unter bescheidenen Umständen in einem Berliner Arbeiterviertel. Die beiden verstehen sich als kleine, unpolitische Leute.

Doch als sie vom Tod ihres einzigen Sohnes im Krieg gegen Frankreich erfahren, begreifen sie plötzlich, wie falsch, verlogen und verbrecherisch das Regime Hitlers ist. In ihnen reift ein Plan: Sie wollen den Kampf gegen die übermächtige Maschinerie des Nazistaates aufnehmen. Und so schreiben sie einfache Botschaften auf Postkarten, in denen sie zum Widerstand aufrufen. Die Karten verteilen sie auf Treppen und Hausfluren überall in der Stadt. Damit riskieren sie ihr Leben, denn die Menschen um sie herum sind durch das System korrumpiert: Da gibt es die Mitläufer, die nur an ihren Vorteil denken. Es gibt die Denunzianten, die Angst verbreiten. Und es gibt die Nazi-Kader, die niederträchtig und brutal ihre Macht ausleben. Es scheint, als stünden die Quangels mit ihren stillen Aktionen auf verlorenem Posten. Doch die Nazis werden nervös. Denn die Postkarten beweisen: Zivilcourage und Humanität lassen sich nicht ausrotten.

Falladas letzter Roman, der auf eine wahre Begebenheit zurückgeht, entwirft ein kraftvoll gezeichnetes, höchst plastisches Panorama einer zunehmend verrohten, moralisch enthemmten, egoistischen Gesellschaft. Auf ermutigende Weise zeigt er zugleich: Auch in einem totalitären System ist es möglich, standhaft zu bleiben, die Angst zu überwinden, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen und menschliche Würde zu bewahren.

In der Inszenierung des Hans-Otto-Theaters wird das Nazi-Regime in seiner ganzen Härte und Brutalität gezeigt. Lautstärke und Begleitmusik sind am Rande des Erträglichen. Die Figuren bewegen sich auf einer fast pausenlos in Bewegung befindlichen Drehbühne. Wie sinnbildlich: Was die kleinen Leute auch tun, um gegen die Nazis aufzubegehren, sie drehen sich im Kreise.

Den Schattenlichtern kam die Handlung aus dem Kino bekannt vor – und tatsächlich: Der Roman wurde mehrfach verfilmt, zuletzt 2015 als Produktion der Firma „X Filme Creative Pool“ unter der Regie von Vincent Perez. Die Hauptrollen spielen die britische Oskar-Preisträgerin Emma Thompson und der irische Schauspieler Brendan Gleeson. Der Film wurde in Görlitz, Berlin und Köln gedreht und kam am 17. November 2016 in die Kinos.

Ich erinnere mich, dass ich die Handlung sehr packend fand, ich aber irritiert war, Emma Thompson auf Deutsch „Herr Obergruppenführer“ sagen zu hören. Auch wenn Emma Thompson ohne Frage eine großartige Schauspielerin ist, hätte hier auch die deutsche Schauspielerpalette einiges im Angebot gehabt, beispielsweise Marie Bäumer oder Bettina Zimmermann. Auch die Darstellerin aus dem Hans-Otto-Theater wäre eine Option gewesen!

Hans Fallada (geb. am 21. Juli 1893 in Greifswald; gest. am 5. Februar 1947 in Berlin) hieß eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen. Bereits mit dem ersten, 1920 veröffentlichten Roman „Der junge Goedeschal“ verwendete Rudolf Ditzen das Pseudonym Hans Fallada. Es entstand in Anlehnung an zwei Märchen der Brüder Grimm. Der Vorname bezieht sich auf den Protagonisten von „Hans im Glück“, der Nachname auf das sprechende Pferd Falada aus „Die Gänsemagd“: Der abgeschlagene Kopf des Pferdes verkündet so lange die Wahrheit, bis die betrogene Prinzessin zu ihrem Recht kommt.

Fallada wandte sich spätestens 1931 mit Bauern, Bonzen und Bomben gesellschaftskritischen Themen zu. Fortan prägten ein objektiv-nüchterner Stil, anschauliche Milieustudien und eine überzeugende Charakterzeichnung seine Werke. Der Welterfolg „Kleiner Mann – was nun?“, der vom sozialen Abstieg eines Angestellten am Ende der Weimarer Republik handelt, sowie die späteren Werke „Wolf unter Wölfen“, „Jeder stirbt für sich allein“ und der postum erschienene Roman „Der Trinker“ werden der Neuen Sachlichkeit zugerechnet.

Das ebenso spannende wie düstere Stück läuft wieder am Samstag, 18. Januar, um 19:30 Uhr; Karten gibt es unter www.hansottotheater.de.

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Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.

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