Andere Adventstermine können warten!

Andere Adventstermine können warten!

Wird etwas zur Tradition, wenn man es zum dritten Mal macht? Wenn ja, haben die Schattenlichter gestern Abend ihren traditionellen vorweihnachtlichen Theaterausflug unternommen.

Diesmal zog es elf Schattenlichter ins Kleine Theater am Südwestkorso, zur „Verlorenen Ehre der Katharina Blum“. Das Theater hatte die Bühnenadaption des Buches anlässlich des 100. Geburtstags von Heinrich Böll auf den Spielplan genommen.

Böll protestierte mit seinem Werk gegen Sensationsjournalismus und Lügenpresse — am Beispiel der Figur Katharina Blum, die zu Unrecht verdächtigt wird, die Komplizin eines gesuchten Kriminellen zu sein. Die sogenannte „Zeitung“ stellt sie mit allen Methoden der Boulevardpresse an den Pranger und zerstört so ihre soziale Existenz.

Alexander Kratzer hat die Romanhandlung verdichtet und auf funf Schauspieler reduziert. Dabei gehen keine wichtigen Informationen verloren. Im Gegenteil: Während Böll im Buch schon auf den ersten Seiten den Ausgang des Geschehens vorwegnimmt, um dann in Rückblenden zu analysieren, wie es dazu kommen konnte, verläuft die Handlung auf der Bühne chronologisch. So bleibt es für den Zuschauer der deutschen Erstaufführung spannend, in welche Richtung sich das Ganze entwickeln wird.

Das raffinierte Bühnenbild besteht aus schmalen, hohen, halbdurchsichtigen Wandelementen, die wirkungsvoll unterschiedliche Räume und auch Ebenen schaffen können. So kann im Vodergrund die Handlung ihren Lauf nehmen, während im Hintergrund die fassungslose Katharina Blum die Zeitungsnachrichten über sich selbst liest, die ihr ihre Ehre rauben. Als Katharina Blum sich über die ungerechte und falsche Berichterstattung beklagt, wird ihr erwidert: „Es gibt ja auch andere Berichte, die neutral und sachlich sind.“ Darauf Blum: „Ja, aber die liest keiner …“

Im Vorwort seines Buches schreibt Böll, dass Ähnlichkeiten zwischen der „Zeitung“ und „BILD“ weder zufällig noch beabsichtigt seien, sondern schlicht unvermeidbar.

Offene Worte, klare Botschaften, dabei Spannung und Originalität — so wünschen sich die Schattenlichter einen Theaterabend. Daher lautet unsere Empfehlung: Unbedingt hingehen — andere Adventstermine können warten!

Katharina Blum verliert ihre Ehre wieder am Freitag, 8. Dezember, 20 Uhr, und am Sonntag, 10. Dezember, 18 Uhr.

Freut Euch auf einen Reigen von Theater-Tipps im Dezember: Wir werden noch Gayle Tufts mit „Very Christmas“ sehen, außerdem „Die Feuerzangenbowle“ und „Linie 1“. Das Jahr endet voraussichtlich mit Yasmina Rezas „Kunst“ im Berliner Ensemble“, aber den dazugehörigen Tipp wird es erst nach dem Jahreswechsel geben.

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Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.