Das Jahr klingt aus mit „Fahr mal wieder U-Bahn!“

Das Jahr klingt aus mit „Fahr mal wieder U-Bahn!“

Der letzte Theaterbesuch des Jahres führte drei Schattenlichter ins GRIPS Theater. Da es sich um die letzte Abendvorstellung des Jahres handelte, nutzte der neue Theaterleiter Philipp Harpain die Gelegenheit für eine kurze Ansprache: Das Theater hat in diesem Jahr drei Theaterpreise abgeräumt und wird voraussichtlich noch bis Silvester die bisher unerreichte Marke von 90.000 Besuchern im Jahr knacken. Toll!

Die letzte Abendveranstaltung – „Linie 1“ – war jedenfalls wieder einmal ausverkauft, obwohl es sich immerhin schon um die 1.810. Vorstellung des Musicals handelt. Das Stammpublikum hat seine Freude daran, einige dezente Veränderungen zu entdecken: Einige Musikstücke wurden leicht aktualisiert und einige Textstellen verändert. Sogar einen veränderten Requisitenumbau haben wir entdeckt! So achtet das GRIPS darauf, dass das Erfolgsstück nicht irgendwann reif für die Mottenkiste wird.

Auch drei neue Gesichter waren im „Linie 1“-Team zu entdecken: Es gab mal wieder ein neues „Mädchen aus Westdeutschland“ – die müssen ja immer jung und unschuldig sein und daher alle paar Jahre neu besetzt werden. René Schubert, aus vielen anderen GRIPS-Stücken bekannt, spielt nun auch bei „Linie 1“ mit und ist als Jugendlicher mit Walkman ebenso überzeugend wie als bauchfrei gekleideter „Märchenprinz“. Bei dessen Auftritt muss sogar die Darstellerin des Wessimädchens kurz lachen. Nicht zuletzt hat auch die Band „No Ticket“ einen neuen E-Gitarristen – offenbar eine Vertretung für Michael Brandt -, der sogar den größten „Linie 1“-Ohrwurm zusammen mit dem obercoolen „Bambi“-Darsteller singen darf und das hervorragend macht.

Daneben spielen auch die bekannten Gesichter ihre Rollen unverbraucht und top motiviert. Aus dem Uraufführungsemsemble von 1986 ist nach wie vor Dietrich Lehmann dabei, inzwischen 77 Jahre alt. Man erzählt sich, er habe noch keine einzige der 1.810 Aufführungen verpasst. So einen zuverlässigen und überzeugenden Arbeitnehmer wünscht sich jeder Chef!

Lustig, dass einen Tag vor dem Schattenlichter-Theaterbesuch auch der „Tagesspiegel“ über die „Linie 1“ berichtet. Wenn ein Theaterstück an einem realen Ort spielt, den man aus eigenem Erleben kennt, hat das immer einen besonderen Charme, weil man mitreden kann und sich involviert fühlt. Die Handlung von „Linie 1“ ist auf „1986 West-Berlin“ datiert. Damals fuhr die U-Bahn-Linie 1 von Ruhleben über den Zoo zum Schlesischen Tor. In der Zeitung ist nun zu lesen:

„Die BVG will der „Linie 1“ erneut an den Kragen. Um die Züge der U 3 aus Krumme Lanke, die bisher im Bahnhof Nollendorfplatz enden, bis zur Warschauer Straße fahren lassen zu können, soll es auf der U 1 zur Uhlandstraße weniger Fahrten geben. Bereits 1993 hatte die BVG die Linienführung verändert. Seither kann das Mädchen vom Land nicht mehr wie im Theaterstück am Bahnhof Zoo in den Zug der Linie 1 einsteigen; hier fährt seither die U 2. Als Volker Ludwig sein 1986 uraufgeführtes Stück von dem Mädchen, das in der U-Bahn seinen Schwarm sucht, schrieb, verkehrte die Linie 1 noch zwischen Ruhleben und Schlesisches Tor. 1993, nachdem die durch den Mauerbau entstandene Lücke im Netz zwischen den Bahnhöfen Gleisdreieck und Potsdamer Platz wieder geschlossen war, hatte die BVG schon einmal die „Linie 1“ geschrumpft. Mit dem Lückenschluss war die Verbindung von Pankow nach Ruhleben mit den wichtigen Zwischenstationen Alexanderplatz und Zoologischer Garten zwar die bedeutendste im Netz, sie wurde aber doch nur zur U 2. Die „Linie 1″ sollte zumindest auf ihrem Hauptabschnitt weiter durch Kreuzberg fahren — wie im Musical. So verbunden war die BVG immerhin mit Volker Ludwigs Werk. (…) Die BVG fährt bei den Fahrgastzahlen von Rekord zu Rekord. Nach dem Knacken der Milliardengrenze im Jahr 2016, als sie 1,045 Milliarden Fahrten zählte, waren es im vergangenen Jahr nach ersten Prognosen rund 1,06 Milliarden Fahrten. Und so kamen die Planer jetzt auf die Idee, wieder mehr Züge auf die Hochbahn durch Kreuzberg zu schicken: In den Hauptverkehrszeiten sollen die Bahnen der U 3 alle fünf Minuten von der Krummen Lanke bis zur Warschauer Straße fahren. Dafür soll auf der U 1 zwischen Uhlandstraße und Warschauer Straße nur noch alle zehn Minuten ein Zug kommen. Auf dem nachfragestärksten Abschnitt zwischen Wittenbergplatz und Warschauer Straße, der von beiden Linien befahren wird, gibt es dadurch aber einen Drei- bis Vier-Minuten-Takt. Weiterer Vorteil: Studenten an der Freien Universität, die in Kreuzberg oder Friedrichshain wohnen, erhalten mit der verlängerten U 3 wieder eine umsteigefreie Verbindung. Die U 3 soll nach den bisherigen Überlegungen nicht erneut umbenannt werden, auch wenn die U 1 nur noch alle zehn Minuten fährt — und damit so selten wie die Züge auf den nachfragearmen Linien U 4 (Nollendorfplatz– Innsbrucker Platz) oder U 55 (Brandenburger Tor–Hauptbahnhof). Sollte der Senat den Plänen zustimmen, könnten sie Anfang Mai umgesetzt werden, sagte BVG-Sprecher Markus Falkner.“

Zum Artikel wurde auch eine Grafik veröffentlicht. Merkwürdig ist daran, dass ausgerechnet der ehemalige Endbahnhof der „Linie 1“, Schlesisches Tor, nicht beschriftet wurde (neben dem für die alte „Linie 1“ irrelevanten Bahnhof Kurfürstendamm).

Für die Schattenlichter ist klar: Auch wenn die BVG ihre Linie 1 irgendwann völlig einstellen sollte, werden wir sie weiterhin jedes Jahr im GRIPS Theater genießen! Alleine von Januar bis zur Sommerpause steht sie dort mehr als 30-mal auf dem Spielplan.

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Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.