Dieses Theaterstück ist gut gegen Nordwind

Dieses Theaterstück ist gut gegen Nordwind

Zum dritten Mal innerhalb von sechs Wochen waren die Schattenlichter heute im Steglitzer Schlosspark-Theater. Es ist erstaunlich, was für eine große Bandbreite das Programm des Theaters abdeckt!

Nach dem ernst-erschütternden Ein-Mann-Stück „Die Judenbank“ und dem komisch-satirischen „Biedermann“ gab es nun etwas für Romantiker: „Gut gegen Nordwind“.

Der sympathische Kinofilm mit Nora Tschirner und Alexander Fehling dürfte bekannter sein als die Romanvorlage von Daniel Glattauer. Die Bühnenfassung enttäuscht weder die Fans der Kinovariante noch des Romans. Sie ist nahe am Ursprungstext, gibt ihn aber schlau gekürzt wieder, so dass ein dynamisches Zwei-Stunden-Theaterstück entsteht.

Die Handlung ist schnell erzählt: Bei Leo Leike landen irrtümlich E-Mails einer ihm unbekannten Emmi Rothner. Aus Höflichkeit antwortet er ihr. Und weil sich Emmi von ihm verbal angezogen fühlt, schreibt sie zurück.

Nach anfänglichem Geplänkel entwickelt sich echte Kommunikation und in weiterer Folge eine immer intimere Freundschaft. Immer atemloser warten die beiden Schreibenden auf die jeweiligen Antworten. Und Leos E-Mails sind gut gegen den Nordwind, der Emmi nicht schlafen lässt, wenn er bläst.

Die Versuchung eines persönlichen Treffens steigt. Doch werden die gesendeten, empfangenen und gespeicherten Liebesgefühle einer Begegnung standhalten?

Johannes Hallervorden zeigt Leo als verkopften intellektuellen Sprachwissenschaftler, der seiner langjährigen Beziehung nachtrauert und erst nach einer Flasche Wein aus sich herauskommt. Den Gegenpol Emmi stellt Johanna Marie Bourgeois als spontane, witzige, impulsive und eifersüchtige Frau dar. Der Emmi im Kinofilm war die Ehefrau leichter zu glauben, weil man da Ehemann und Kinder leibhaftig zu sehen bekam.

Das Bühnenbild – zwei kleine, durch eine Wand getrennte Räume – unterstreicht die Einsamkeit der beiden Charaktere. Wenn beide in intimen Szenen gleichzeitig eine Hand an die trennende Wand halten, erinnert das an historische Paare, die trotz ihrer großen Liebe nicht zusammenkommen konnten – etwa Pyramus und Thisbe oder Romeo und Julia. Natürlich ist die Stückvariante moderner: Jedes Zimmer enthält an einem zentralen Punkt einen Laptop, und die Räume sind oft in bläuliches Licht getaucht, das die Atmosphäre angeschalteter Bildschirme wiedergibt.

Im Schlosspark-Theater ist „Gut gegen Nordwind“ noch morgen und übermorgen zu sehen. Danach läuft es voraussichtlich bis zum Jahresende im „Theater Berliner Schnauze“ am U-Bahnhof Frankfurter Tor. Die nächsten Termine dort sind Freitag, der 26. Mai, Pfingstsonntag sowie Donnerstag und Freitag, 1. und 2 Juni. Man kann sich also überlegen, ob man den Theaterbesuch im Theater des Vaters Hallervorden oder des Sohnes absolvieren möchte. Empfehlenswert ist das Stück so oder so! Und nach dem Theaterbesuch empfiehlt sich die Lektüre von Glattauers Fortsetzung der Story: „Alle sieben Wellen“.

www.schlossparktheater.de
www.berliner-schnauze-theater.com

Infos teilen: