Tragischer Abgesang im Theater am Kurfürstendamm

Tragischer Abgesang im Theater am Kurfürstendamm

1902 schrieb der britische Dramatiker John Osborne das Theaterstück „Der Entertainer“: Hauptperson Archie Rice ist der klassische Dauerverlierer, dessen Theater geschlossen wurde und dessen Privatleben ebenfalls den Bach runtergegangen ist.

Regisseur Fabian Gerhardt hat dieses Stück an das Theater am Kurfürstendamm angepasst, das — wie bekannt ist — ja leider in Kürze schließen muss und abgerissen wird. Peter Lohmeyer spielt Archie Rice fast als Alleindarsteller, der als letzter tragischer Rebell auf seiner Bühne kampiert, sich mit dem Publikum unterhält und dabei einige Flaschen Alkohol leert. Er gibt den resignierenden Loser sehr eindrucksvoll, und auch das Näherrücken der Bagger ist omnipräsent. Besonders eindrucksvoll ist ein zehnminütiger Monolog, mit dem Archie — oder Lohmeyer, wer weiß das schon — die Zeit bis zur von der Regie angeordneten Pause totzuschlagen versucht.

Nach der Pause kommen neue Personen ins Spiel, die allerdings erst einmal nur in Archies Erinnerung existieren. Daher treten sie nicht in persona auf, sondern — wie das Theater am Kurfürstendamm es nennt — als Hologramme; dem Laien würde auch die Bezeichnung „Projektion“ genügen. Wie Lohmeyer mit den Personen auf der unsichtbaren Leinwand interagiert, ist originell, optisch interessant und zeitlich perfekt abgestimmt.

Die einzige von den Hologrammen noch real existierende Person, Archies Tochter, tritt konsequenterweise auch noch als leibhaftige Schauspielerin auf die Bühne. Manch einer hätte sich das sicherlich auch für das Hologramm Harald Juhnke gewünscht, wird aber naturgemäß enttäuscht und muss sich damit zufriedengeben, Juhnke — im Vergleich mit Archie — als einen wahren Entertainer präsentiert zu bekommen.

Wir Schattenlichter hatten uns angesichts des Themas darauf eingestellt, als gebürtige Westberliner die eine oder andere Träne des Abschiedsschmerzes oder der Wut zu vergießen. Aber obwohl Lohmeyer auf die Tradition des Hauses und die namhaften Gründer zu sprechen kommt, obwohl der große Harald Juhnke wiederbelebt wird und obwohl der Abriss nahe ist — Wehmut wollte sich nicht so recht einstellen. Vermutlich eignete sich der ständig unter der Gürtellinie kalauernde, ausländerfeindliche Parolen ausstoßende, sexistische und selbstgerechte Archie zu wenig zur Identifikationsfigur. Schade eigentlich!

Lohmeyers schauspielerische Leistung wurde vom Publikum fleißig beklatscht, und auf dem Kudamm empfing ihn am lauen Frühlingsabend ein Freundeskreis mit wohlverdienten stehenden Ovationen. Von daher — und für alle Lohmeyer-Fans sowieso — empfehlen die fünf von der Inszenierung ein wenig erschlagenen Schattenlichter: Hingehen, aber kein typisches Theater-am-Kudamm-Stück erwarten! Und die Taschentücher könnt Ihr getrost zu Hause lassen!

Diese letzte Premiere an der traditionsreichen Spielstätte wiederholt sich noch einmal am Samstag, 5. Mai 2018. Es gibt noch Karten!

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Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.