Wie war eigentlich das Leben mit der Mauer?

Wie war eigentlich das Leben mit der Mauer?

Damit sich die Jugendlichen von heute vorstellen können, wie sich das Leben im geteilten Berlin anfühlte, gibt es seit März 2018 im Theater Strahl in der „Halle Ostkreuz“ ein entsprechendes Theaterstück: „#BerlinBerlin“. Fünf Schattenlichter machten gestern Abend den Generationentest und stellen begeistert fest: Das ist viel mehr als ein Stück für Jugendliche, hier kommen auch die Zeitzeugen hüben wie drüben voll auf ihre Kosten.

Hüben wie drüben – auch solche Formulierungen hinterfragt das Stück: Wer ist denn eigentlich vor der Mauer, wer ist dahinter? Wer ist durch die Mauer frei – die Nicht-Eingemauerten, weil sie sich frei bewegen können, oder die Eingemauerten, weil sie durch die Mauer geschützt werden? Was macht man eigentlich mit Freiheit?

In „#BerlinBerlin“ geht es um Ingo und seine Familie: Ingo wurde am Tag des Mauerbaus geboren. Sein Vater befindet sich am 13.8.1961 gerade in West-Berlin und beschließt, dort zu bleiben. Bald gründet er dort eine neue Familie, verschweigt seine Ost-Herkunft und fällt nur durch seine starke Ablehnung „dieser scheiß Zone“ auf. Ingo und seine Familie leiden unter dem Verlust. Mehr als 25 Jahre wird es dauern, bis Ingo seine West-Schwester kennenlernt: Während er es in der DDR nicht aushält und einen Ausreiseantrag stellt, missfällt ihr im Westen die Profitorientierung, und sie preist die Vorzüge des Sozialismus.

Die sechs Schauspieler springen in unterschiedliche Rollen und schaffen es in atemberaubenden Tempo, sich von z. B. einer Mutter in ein quengelndes Kleinkind zu verwandeln. Noch beeindruckender wird es, wenn die Darstellerin des Kleinkinds sofort nach Ende der Szene ans Keyboard springt und mit der fetzigen Schauspielerband das nächste in das jeweilige Jahrzehnt passende West- oder Ostlied spielt und den Zeitzeugen im Publikum eine Gänsehaut bereitet.

Ebenso wandlungsfähig wie die Schauspieler ist die Kulisse, die aus einigen Dutzend grauer Mauersteine besteht. Diese können aber nicht nur eine offene oder undurchdringliche Mauer darstellen, sondern auch ein gemütliches Wohnzimmer, eine Mitropa-Gaststätte, Menschen auf „dem“ Bruce-Springsteen-Konzert oder gar Grabsteine auf einem Friedhof. Waaahnsinn!

Nicht zuletzt ist auch die Theaterhalle selbst einen Besuch wert: Ganz bühnenuntypisch gibt es weder einen Vorhang noch eine Bühnenrückwand, sondern die historische Hallenrückwand und ein paar Scheinwerfer reichen aus. Wann und wo wir uns befinden, wird mit klappernder Schreibmaschine jeweils zu Szenenbeginn an einen Wachturm geschrieben bzw. projiziert.

Ein für die Einzelbesucher und Schulklassen gleichermaßen gelungener und erkenntnisreicher Abend – mitreißend, emotional und bei knapp zweieinhalb Stunden Länge erstaunlich kurzweilig! Wer das Stück als Schulklasse besucht, bekommt weitere Einsichten durch das begleitend angebotene Bildungsprogramm der Stiftung Berliner Mauer.

Die Schattenlichter empfehlen: Nach den Ferien allen Bescheid sagen, die man kennt, am besten eine ganze Schulklasse (ab 14) mobilisieren, und ab zum Ostkreuz!

Bis dahin gilt: Schöne Sommerferien!

Infos teilen:

Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.