Verseuchtes Grundwasser bedroht die Menschen

Verseuchtes Grundwasser bedroht die Menschen

Einer Meldung des Tagesspiegels zufolge hat nun auch die Schaubühne am Lehniner Platz ihren Spielbetrieb auf die virtuelle Bühne verlegt.

Auf der Webseite des Theaters steht ab sofort täglich von 18:30 Uhr bis Mitternacht kostenfrei ein Onlineersatzspielplan mit täglich wechselndem Programm bereit.

Zu sehen sind Fernsehaufzeichnungen von Inszenierungen von Peter Stein, Luc Bondy und Klaus Michael Grüber. Los geht’s mit Ibsens „Volksfeind“.

Es sei naheliegend, mit Henrik Ibsens „Volksfeind“ zu beginnen, sagte der künstlerische Leiter Thomas Ostermeier. In dem Stück bedroht das verseuchte Grundwasser eines Badeorts die Gesundheit der Menschen, und es entbrennt ein Konflikt um die Frage, was vernünftigerweise zu tun sei.

Hier geht’s zum Onlinespielplan.

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Ein Live-Theaterbesuch zu Zeiten von Corona

Ein Live-Theaterbesuch zu Zeiten von Corona

Die aktuellen Corona-bedingten Vorsichtsmaßnahmen führten bekanntlich auch zur vorübergehenden Schließung der Berliner Theater. Vier Schattenlichter hatten Karten für „Schmetterlinge sind frei“ im Schlosspark-Theater gekauft und sich auf den Besuch gefreut. Vorstellung gecancelt …

Nun stellte sich die Frage: Was tun mit den ungültigen Karten?
Umtausch gegen andere Karten für einen späteren Termin?
Umtausch gegen einen Theatergutschein?
Den Betrag auszahlen lassen?
Oder den Betrag spenden, um den Corona-gebeutelten Kulturbetrieb zu unterstützen?

Das Schlosspark-Theater machte uns die Entscheidung leicht. Es lud uns – und alle anderen Theaterfans – zu einer Live-Vorführung von „Schmetterlinge sind frei“ ein: Heute um 20 Uhr spielten die vier Schauspieler ihr Stück auf ihrer gewohnten Bühne. Aber das Publikum blieb zu Hause und erlebte ein Theaterstück der besonderen Art: als Live-Stream am häuslichen Bildschirm.

Unsere erste Streaming-Erfahrung bewerten wir Schattenlichter positiv: Es ist zwar nicht das Gleiche wie ein echter Theaterbesuch, aber in diesen Zeiten haben wir nun mal nicht die Wahl. Immerhin sind wir gesund geblieben und auch nicht als Wirt für das Virus tätig geworden. Und wir haben Johannes Hallervorden, Julia Biedermann, Helen Barke und Fabian Stromberger live beim Spielen zugeguckt, konnten sie aus der Nähe sehen (eigentlich hatten wir Reihe 30 gebucht), niemand neben uns hat gehustet oder geraschelt, wir mussten weder auf den Bus warten, noch an der Garderobe oder am WC anstehen, und mitreißend war das Stück allemal.

Im Mittelpunkt der Handlung steht ein junger Erwachsener: Don Baker. Er hat gerade seine erste eigene Wohnung bezogen, um endlich auf eigenen Füßen zu stehen und sich aus den Fängen seiner überfürsorglichen Mutter zu befreien. Soweit nichts Besonderes, aber Don ist blind.

Gerade als sich Don in seinem spartanischen Zimmerchen gut zurechtfindet, flattert die neue Nachbarin Jill in sein Leben. Sie ist das absolute Gegenteil von Don: frei, lebenslustig und spontan. Die beiden verlieben sich. Doch die Komplikationen lassen nicht lange auf sich warten. Denn was für Don ein Quantensprung ist, scheint für die lockere Jill nur ein Abenteuer von vielen. Und dann mischt sich auch noch Dons Mutter ein, der offenbar jedes Mittel recht ist, ihren geliebten Sohn wieder zurück nach Hause zu holen …

Das Ganze findet glaubwürdig und flott gespielt in einem gelungenen Bühnenbild statt; Dons Wohnung mit ihrem coolen Hochbett und ihrem großzügigen Dachfenster – das Don gar nicht sehen kann – hätte man auch gerne als erste eigene Bleibe gehabt. Was sich in Jills unordentlich-chaotischer Nachbarwohnung abspielt, kann man sich nur vor seinem inneren Auge vorstellen – gut für die Entwicklung der Phantasie! Ohnehin wird man nach diesem Stück seine blinden Mitmenschen in einem anderen Licht sehen.

Zuletzt sei einem Schattenlicht von Ende 40 die Bemerkung erlaubt, dass Julia Biedermann, die in meiner Jugend immer tolle Jugendliche spielte, auch als übereifrige Helicoptermutter überzeugen kann.

Anders als bei einem tatsächlichen Besuch im Schlosspark-Theater herrschte bei den virtuellen Besuchern ein reges Kommen und Gehen – da haben die Leute eben doch eher Fernseh- als Theatergewohnheiten. Kurz vor Beginn sprang die angezeigte Zuschauerzahl innerhalb von Sekunden von 300 auf mehr als 750. Wenn man sich vorstellt, dass wir zu viert vor dem Laptop saßen, können es also auch 3.000 Zuschauer gewesen sein. Am Ende waren immer noch mehr als 600 bei der Stange, und es hagelte virtuellen Applaus und jede Menge begeisterte Kommentare.

Für die Schattenlichter ist eins klar: Die Theaterkarten werden gespendet! Das war eine super Aktion des Schlosspark-Teams!

Den Live-Stream gibt es am morgigen Donnerstag, dem 19.3., noch einmal: Einfach um kurz vor 20 Uhr auf Facebook die Seite des Schlosspark-Theaters aufrufen (Schlosspark Theater Berlin), in der linken Navigationsleiste auf „Video“ klicken! Und Spenden nicht vergessen!

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Theater-Tipp in Zeiten von Corona

Theater-Tipp in Zeiten von Corona

„Berlin schließt seine Bühnen“ war heute in großen Lettern auf Seite 1 des Tagesspiegels zu lesen – neben einem traurigen Bild von leeren Zuschauerrängen eines imposanten Theatersaals. Eine Ausnahmesituation, die es in den 35 Jahren des Bestehens der Schattenlichter noch nicht gab!

Und nun? Vorsichtshalber zu Hause bleiben, lesen und Filme angucken? Die Schattenlichter verstehen diese Vorsichtsmaßnahme des Senats. Wir empfehlen: Gebt jetzt den kleinen Theatern in Berlin eine Chance!

Unsere „Barbara“-Aufführungen besuchte beispielsweise Günter Rüdiger vom Zimmertheater Steglitz. In einem so kleinen Haus dürfte die Ansteckungsgefahr nicht größer sein als in der BVG oder am Arbeitsplatz.

Also nichts wie hin! Das abwechslungsreiche Programm ist unter www.zimmertheater-steglitz.de zu finden.

Wir meinen: Berlin hat zu viel zu bieten, als dass man bis zum 19. April – dem vorgesehenden Ende der Theaterschließungen – zu Hause bleiben könnte!

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Ein neues Stück für die Schattenlichter?

Ein neues Stück für die Schattenlichter?

Der März ist für die Schattenlichter immer ein entscheidender Monat: Nachdem ein paar Tage nach den letzten Aufführungen alle Gruppenmitglieder entscheiden, ob sie in folgenden Theaterjahr wieder mit an Bord sein werden, geht die Suche nach einem möglich passenden Stück los.

Eigentlich glaubte ich bereits, den Knüller gefunden zu haben: „Extrawurst“ (siehe unser vorletzter Theater-Tipp). Doch leider erteilte uns der Verlag die Aufführungsrechte nicht – mit Verweis darauf, dass das Renaissance-Theater die Aufführungsrechte exklusiv besitze und dass auch für uns, die wir mit unseren drei Aufführungen in Zehlendorf bestimmt keine Konkurrenz fürs Renaissance-Theater sind, keine Ausnahme gemacht werden könne.

Also geht die Suche weiter. So gingen heute zwei Schattenlichter ins Berliner Kriminaltheater in Friedrichshain. Dort läuft Agatha Christies Krimi „Ein Mord wird angekündigt“.

Worum geht’s in dem 40. Krimi der britischen Krimikönigin?

Zwei schrullige alte Damen erfahren durch eine Annonce in der Zeitung, dass in ihrem Haus ein Mord stattfinden soll. Die einen reagieren entsteht, die anderen angsterfüllt auf diese Ankündigung. Neben dem örtlichen Kommissar nicht sich auch Miss Marple des Falles an; aber auch sie kann nicht verhindern, dass nach einem Stromausfall die Leiche eines Mannes im Wohnzimmer liegt. Und dann wird auch noch jemand vergiftet. Was soll Miss Marple davon halten? Aber dann entdeckt sie etwas Merkwürdiges …

Vieles spricht dafür, dass dieser Krimi in die Abstimmungsrunde der Schattenlichter am 23. März eingebracht werden wird: eine kurzwellige Handlung, die optimale Personenzahl, nur ein einziges Bühnenbild, weniger als zwei Stunden Stücklänge, etwa gleich große Rollen – und die Tatsache, dass wir lange nicht mehr Agatha Christie gespielt haben und Lust dazu hätten.

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, hat morgen, am 8. März, und dann wieder im Mai die Gelegenheit dazu: info@kriminaltheater.de

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Ein wichtiges Theaterstück gegen das Vergessen

Ein wichtiges Theaterstück gegen das Vergessen

75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs drohen die Schrecken der NS-Zeit in Vergessenheit zu geraten. An aktuellen Ereignissen lässt sich das ja leider immer wieder erschreckend deutlich ablesen.

Da ist es wichtig, dass es über das Leben der Zeitzeugen hinaus – neben Büchern – anschauliche, erlebbare Erinnerungen gibt. Eine ganz besondere eindrucksvolle ist jedes Jahr an einigen Tagen im Februar/März im GRIPS Theater zu sehen: „Ab heute heißt Du Sara“.

Dieses Theaterstück erzählt in mehr als 30 prägnanten Szenen das Leben der Berliner Jüdin Inge Deutschkron in der Nazizeit. 

Wer sich eingehender mit der Geschichte der heute fast 100-Jährigen befassen möchte, dem sei die Autobiografie von Inge Deutschkron empfohlen, die der damalige GRIPS-Chef Volker Ludwig als Grundlage für die Theaterfassung verwendete. Auch im Museum „Blindenwerkstatt Otto Weidt“ am Hackeschen Markt in Berlin-Mitte finden sich Spuren von Deutschkrons Geschichte, denn der mutige Weidt half ihr mit einer Anstellung und mit einem gefälschten Pass weiter.

Überhaupt ist „Ab heute heißt Du Sara“ gleichzeitig die Geschichte von Greueltaten und von Heldentaten, von Feinden und von Freunden, von Flucht und Zuflucht.

Ich sehe das Stück fast jedes Jahr und bin immer wieder aufs Neue beeindruckt.

Schön für langjährige GRIPS-Anhänger ist es, dass in „Ab heute heißt Du Sara“ auch noch einige GRIPS-Urgesteine mitspielen, die sonst nicht mehr regelmäßig auf der Bühne am Hansaplatz zu sehen sind. Und auch diejenigen, die neu im „Sara“-Team sind, sind allesamt sehenswert.

Eine weitere Vorstellung gibt es morgen, am 7. März: www.grips-theater.de

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Eine tolle Extrawurst

Eine tolle Extrawurst

Normalerweise gehen die Schattenlichter eine Woche vor ihrer eigenen Premiere nicht mehr ins Theater, denn der eigene Zeitplan ist mit den letzten Intensivproben und dem organisatorischen Geschehen schon mehr als voll. Aber diesmal musste doch noch ein Theaterbesuch eingeschoben werden, denn im Renaissance-Theater läuft nur noch wenige Tage ein Stück, das vom Plot her auch etwas für die Schattenlichter sein könnte. Daher machten sich vier gespannte Schattenlichter heute auf zum Ernst-Reuter-Platz, um die Komödie „Extrawurst“ zu sehen.

Der Stückinhalt mutet an, als wäre er vom derzeitigen Schattenlichter-Lieblingsautor Lutz Hübner geschrieben – ist er aber nicht. Das Autorenduo sind die Comedy-Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, die bereits für die Fernsehformate „Die Wochenshow“, „Ladykracher“, „Das Amt“ und „Stromberg“ verantwortlich zeichneten. 

Worum geht’s also in dem Stück? Sobald die Zuschauer den Saal betreten, befinden sie sich als Mitglieder eines kleinstädtischen Tennisvereins mitten in dessen Mitgliederversammlung. Bevor es zum wohlverdienten Feierabendbier samt Büfett übergeht, muss noch ein letzter Punkt der Tagesordnung abgehakt werden, der lediglich als Formsache gilt: die Abstimmung über die Anschaffung eines neuen Grills für die Vereinsfeiern.

Normalerweise kein Problem – gäbe es nicht den Vorschlag, auch einen eigenen Grill für das einzige türkische Mitglied des Clubs zu finanzieren. Denn gläubige Muslime dürfen ihre Grillwürste bekanntlich nicht auf einen Rost mit Schweinefleisch legen. 

Eine gut gemeinte Idee, die ebenso respektlos wie komisch Atheisten und Gläubige, Deutsche und Türken, „Gutmenschen“ und Hardliner, Vegetarier und Fleischesser frontal aufeinander stoßen lässt. Und allen wird schnell klar: Es geht um viel mehr als einen Grill … 

Die Schattenlichter fanden das Stück sehr kurzweilig, dazu zugleich witzig und intelligent – ein bisschen wie „Der Vorname“, der vor zwei Jahren auf dem Schattenlichter-Spielplan stand. Neben wunderbaren klischeehaften Charakteren, die dennoch immer für eine Überraschung gut waren, begeisterte uns auch das Bühnenbild: Wer jemals in einem Mehrgenerationenverein Mitglied war, wird sich sofort heimisch fühlen.

Nun aber nicht mehr lange weiterlesen, sondern schnell Karten kaufen, denn es gibt nur noch fünf Aufführungen im Renaissance-Theater: am 15. und 16.2. um 18 Uhr sowie vom 18. bis zum 21.2. um 20 Uhr. Karten unter www.renaissance-theater.de.

Und nicht vergessen: Am 20. oder 21. Februar seid Ihr vermutlich bei den Schattenlichtern und seht das Stück „Barbara“!

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Lebenshilfe mit „Echsoterik“

Lebenshilfe mit „Echsoterik“


Der zweite Theaterbesuch im neuen Jahrzehnt führte vier Schattenlichter in die Berliner Wühlmäuse – zu Michael Hatzius, einem genialen Schauspieler und Puppenspieler, den die Schattenlichter vor einigen Jahren entdeckt hatten. Wer in den Theater-Tipps zurückscrollt, wird einen Eintrag zu Hatzius‘ Solo-Comedy-Programm „Echstasy“ finden.

Genauso, wie die Schattenlichter damals Seitenstiche vom zweistündigen durchgängigen Lachen bekamen, erging es ihnen auch gestern wieder, bei Hatzius‘ dritter Show, „Echsoterik“.

Die im Namen versteckte Echse ist Hatzius‘ große Handpuppe „Die Echse“, die ihre über Millionen Jahre gesammelten Erfahrungen gerne und gnädig herablassend mit dem Publikum teilt.

In „Echsoterik“ inszeniert sich die Echse als Guru: Sie ist in die Wühlmäuse gekommen, um die Menschen zu heilen und um ihnen Orientierung zu geben. So bietet die Echse dem Publikum zum Beispiel an, sich von ihr die Tarotkarten legen zu lassen. Hatzius gestaltete dafür in Zusammenarbeit mit dem Hallenser Künstler Robert Voss spezielle Tarotkarten, auf denen seine Puppenfiguren in vieldeutigen Motiven erscheinen. 

Hatzius bekommt auch in der aktuellen Show ein gutes Verhältnis zwischen Live-Spiel und Film hin: Während wir bei „Echstasy“ über Filmsequenzen aus dem verfallenen Spreeparkgelände mit seinem leise quietschenden Riesenrad lachten, toppte „Echsoterik“ das Ganze noch: In einer Handvoll kurzer Filme begleitet das Publikum Hatzius und die Echse auf ein – echtes – Esoterikfestival. Die Aussteller präsentieren der Echse stolz ihre abgedrehten Waren, und Hatzius als Meister der frechen Improvisation gibt als Echse seinen geerdeten Senf dazu. 

Aber nicht nur die Echse führt durch den Abend; es gibt auch einige toll gestaltete Nebenfiguren wie die Schweine Steffi und Torsten, die sich auf der Bühne verbal demontieren, ein depressives Huhn, eine meckernde Zecke und ein spuckendes Kamel. Und Hatzius selbst versucht sich zum Ärger der Echse als Clown, Zauberer und Märchenonkel.

Hatzius vertieft in seinem neuesten Programm nicht nur die Vielschichtigkeit seiner Figuren, sondern er erweitert auch den improvisierten Anteil, indem er immer wieder das Publikum in das Geschehen der Show einbindet. Und das war gestern der Knaller: Schulschwänzerin Fredi aus Lankwitz, Student Paul aus Pankow und Tunnelbauer Steve aus der schönen Priegnitz – unglaublich, dass diese Typen echt sind, und saukomisch, welche Gespräche die Echse mit ihnen führte!

Am 17. Mai ist Hatzius wieder mit „Echsoterik“ in den Wühlmäusen. Am besten jetzt schon Karten sichern – und am Abend selbst eine Quietscheechse und DVDs von den ersten beiden Shows erstehen, damit der Spaß zu Hause noch weitergeht.

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Zum Jahresbeginn über Rituale

Zum Jahresbeginn über Rituale

Jeder Mensch hat Rituale. Eins meiner liebsten Rituale gönne ich mir jedes Jahr um Silvester herum: Es ist der Besuch des legendären Berlin-Musicals „Linie 1“ im GRIPS Theater am Hansaplatz.

1986 feierte das Musical Premiere, 1987 sah ich es als Teeni und regelmäßige GRIPS-Gängerin zum ersten Mal. Das war gar nicht so einfach, denn alle wollten „Linie 1“ sehen, und man musste sich zum Monatsbeginn an einem Sonntagvormittag in einer langen Schlange nach Karten anstellen, und pro Person gab es maximal zwei Karten.

Seither habe ich das Musical mindestens einmal jährlich gesehen. Hinzu kommen Sonderbesuche wie zum 30-jährigen Stückjubiläum im April 2016 oder als koreanisches Gastspiel zum 50. Geburtstag des GRIPS‘ im Juni 2019. Weitere 20 Male sah ich „Linie“, wie das Stück damals im Insider-Jargon verkürzt genannt wurde, als ich 1994 meine Magisterarbeit am GRIPS Theater machte und monatelang jeden Abend den unterschiedlichen GRIPS-Vorstellungen beiwohnte, weil ich eine Publikumsbefragung durchführte.

Es kommen also rund 50 Besuche der „Linie 1“ zusammen. Da mag man sich fragen, ob es da überhaupt noch etwas Neues zu entdecken gibt, ob man das Stück nicht inzwischen auswendig kennt und ob es nicht langsam langweilig wird.

  1. Ja!
  2. Klar!
  3. Nein!
  1. Ein Theaterstück ist ja kein Film. Also ist jede Vorstellung ein bisschen anders – wenngleich nicht so extrem und nicht so unabsichtlich anders wie die jährlichen drei Vorführungen der Schattenlichter … Auch gibt es in jedem Jahr ein oder zwei neue Besetzungen, denn nicht jeder Schauspieler hat einen so langen Atem wie Dietrich Lehmann, der seit 1986 ausnahmslos jede Vorführung gespielt hat. Und nicht jede Rolle bietet sich dafür an, über 34 Jahre nicht umbesetzt zu werden. Ich stelle mir nur vor, was wäre, wenn immer noch Petra Zieser ein kicherndes pubertierendes Schulmädchen oder Ilona Schulz eine picklige Schulabbrecherin spielen würde … Jedes Mal macht es Spaß, die Aufführungen zu vergleichen, Textänderungen aufzuspüren und kleine Improvisationen zu entdecken, die den Erstbesuchern verborgen bleiben. Nicht zuletzt hat sich die „Linie 1“ über die Jahrzehnte verändert: Anfangs versuchte GRIPS-Chef und -Autor Volker Ludwig, aktuelle Veränderungen in das Stück einzubauen: erhöhte Entgelte beim Schwarzfahren, veränderte Linienführungen der U 1, den Fall der Mauer – da zogen die Möwen plötzlich nicht mehr über die Mauer, sondern über die Spree -, neue Politiker und neue Währungen. Schließlich wurde es zu paradox, und das GRIPS ging zurück auf Null bzw. auf den Anfang des Musicals: „West-Berlin 1986“ wird nun immer zu Stückbeginn auf die Bühne projiziert, und dann ersteht auf der Bühne das West-Berlin meiner Jugend auf. Da das GRIPS mit der Zeit geht, gibt es auch organisatorische Neuerungen: Es begann mit der Kartenreservierung übers Internet, ging weiter mit der Installation englischsprachiger Übertitel und gipfelte darin, dass ich heute erstmals mit „Print at home“-Eintrittskarten ins Theater gekommen bin, statt die Karten spätestens am Vortag persönlich abzuholen. Heute war für mich neu, dass das regelmäßig neu besetzte Wessi-Mädchen rothaarig war und in der Schlussszene erstmals seit 1986 nicht mehr rückwärts gehen muss. Neu war der Schlagzeuger in der ansonsten sehr treuen Band „No Ticket“; die anderen Musiker werden immer besser und verändern sich im Laufe der Jahre nur peu à peu: Lange blonde Locken sind auf der Strecke geblieben, und eine halbe Brille ist hinzugekommen …
  2. Wenn eine Schauspielerin krank wird, kann mich das GRIPS gerne fragen, ob ich einspringe. Vermutlich bin ich dann aber bei den Schattenlichtern so stark ehrenamtlich eingebunden, dass ich ablehnen muss – eine faule Ausrede, weil ich niemandem meinen Gesang zumuten möchte. Den überlasse ich lieber Supertalenten wie Patrick Cieslik, der als Bambi mindestens so cool ist wie die Premierenbesetzung Dieter Landuris und der „Fahr mal wieder U-Bahn“ mindestens so gut singt wie Thomas Ahrens. Einfach toll! Möge Patrick Cieslik mindestens so viele Jahre am GRIPS Theater bleiben wie Dietrich Lehmann!
  3. Wird Euch etwa langweilig, wenn Ihr Eure Lieblingsmusik immer wieder auflegt? Nein? Dann versteht Ihr auch, warum es nicht langweilig ist, „Linie 1“ 50-mal zu sehen. – Spannend sind auch Details wie die Frage, ob man es schaffen wird, einen der Zettel zu ergattern, die der verrückte Weltverbesserer im Publikum verteilt. Heute hat’s geklappt!

Abgesehen davon habe ich leider viele Vorstellungen verpasst und nur einen Bruchteil gesehen. Heute war die 1.924. Vorstellung von „Linie 1“. Was sind da schon 50 Male? Gerade mal jeder 20. „Linie“ habe ich beigewohnt …

Zum Ritual gehört nicht nur der Theaterbesuch an sich. Es sind viele Details, die dazugehören – wie die obligatorische Anreise mit der U-Bahn, das Anstehen vor der linken Saaltür 30 Minuten vor Einlass (die schweißtreibende Einlasssituation ist mit der bei den Schattenlichtern vergleichbar), das Erobern von Plätzen in Reihe 2 (Reihe 1 hat keine Rückenlehne) und der Besuch des Spätis am Hansaplatz in der Pause. Als „Linie 1“-Junkie weiß man einfach alles, sogar welche der vier Klotüren klemmt und daher gemieden werden sollte.

Der Theater-Tipp der Schattenlichter? Hingehen, ganz klar! Zum Beispiel am 3. oder 4. Januar oder zwischen dem 31. Januar und dem 4. Februar 2020! Viel Spaß!

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Einmischung ist wichtig

Einmischung ist wichtig

Der letzte Theaterbesuch der Schattenlichter im Jahr 2019 ist sicherlich auch der anspruchsvollste; er führte vier Schattenlichter ins Hans-Otto-Theater in Potsdam, wo sich die Gruppe schon mehrfach Stücke ihres Lieblingsautors Lutz Hübner angesehen hatte.

Diesmal stand eine Bühnenfassung von Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ auf dem Spielplan: Nach der Parole „Führer befiehl, wir folgen!“ haben auch Anna und Otto Quangel ihr Leben eingerichtet. Das Ehepaar wohnt unter bescheidenen Umständen in einem Berliner Arbeiterviertel. Die beiden verstehen sich als kleine, unpolitische Leute.

Doch als sie vom Tod ihres einzigen Sohnes im Krieg gegen Frankreich erfahren, begreifen sie plötzlich, wie falsch, verlogen und verbrecherisch das Regime Hitlers ist. In ihnen reift ein Plan: Sie wollen den Kampf gegen die übermächtige Maschinerie des Nazistaates aufnehmen. Und so schreiben sie einfache Botschaften auf Postkarten, in denen sie zum Widerstand aufrufen. Die Karten verteilen sie auf Treppen und Hausfluren überall in der Stadt. Damit riskieren sie ihr Leben, denn die Menschen um sie herum sind durch das System korrumpiert: Da gibt es die Mitläufer, die nur an ihren Vorteil denken. Es gibt die Denunzianten, die Angst verbreiten. Und es gibt die Nazi-Kader, die niederträchtig und brutal ihre Macht ausleben. Es scheint, als stünden die Quangels mit ihren stillen Aktionen auf verlorenem Posten. Doch die Nazis werden nervös. Denn die Postkarten beweisen: Zivilcourage und Humanität lassen sich nicht ausrotten.

Falladas letzter Roman, der auf eine wahre Begebenheit zurückgeht, entwirft ein kraftvoll gezeichnetes, höchst plastisches Panorama einer zunehmend verrohten, moralisch enthemmten, egoistischen Gesellschaft. Auf ermutigende Weise zeigt er zugleich: Auch in einem totalitären System ist es möglich, standhaft zu bleiben, die Angst zu überwinden, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen und menschliche Würde zu bewahren.

In der Inszenierung des Hans-Otto-Theaters wird das Nazi-Regime in seiner ganzen Härte und Brutalität gezeigt. Lautstärke und Begleitmusik sind am Rande des Erträglichen. Die Figuren bewegen sich auf einer fast pausenlos in Bewegung befindlichen Drehbühne. Wie sinnbildlich: Was die kleinen Leute auch tun, um gegen die Nazis aufzubegehren, sie drehen sich im Kreise.

Den Schattenlichtern kam die Handlung aus dem Kino bekannt vor – und tatsächlich: Der Roman wurde mehrfach verfilmt, zuletzt 2015 als Produktion der Firma „X Filme Creative Pool“ unter der Regie von Vincent Perez. Die Hauptrollen spielen die britische Oskar-Preisträgerin Emma Thompson und der irische Schauspieler Brendan Gleeson. Der Film wurde in Görlitz, Berlin und Köln gedreht und kam am 17. November 2016 in die Kinos.

Ich erinnere mich, dass ich die Handlung sehr packend fand, ich aber irritiert war, Emma Thompson auf Deutsch „Herr Obergruppenführer“ sagen zu hören. Auch wenn Emma Thompson ohne Frage eine großartige Schauspielerin ist, hätte hier auch die deutsche Schauspielerpalette einiges im Angebot gehabt, beispielsweise Marie Bäumer oder Bettina Zimmermann. Auch die Darstellerin aus dem Hans-Otto-Theater wäre eine Option gewesen!

Hans Fallada (geb. am 21. Juli 1893 in Greifswald; gest. am 5. Februar 1947 in Berlin) hieß eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen. Bereits mit dem ersten, 1920 veröffentlichten Roman „Der junge Goedeschal“ verwendete Rudolf Ditzen das Pseudonym Hans Fallada. Es entstand in Anlehnung an zwei Märchen der Brüder Grimm. Der Vorname bezieht sich auf den Protagonisten von „Hans im Glück“, der Nachname auf das sprechende Pferd Falada aus „Die Gänsemagd“: Der abgeschlagene Kopf des Pferdes verkündet so lange die Wahrheit, bis die betrogene Prinzessin zu ihrem Recht kommt.

Fallada wandte sich spätestens 1931 mit Bauern, Bonzen und Bomben gesellschaftskritischen Themen zu. Fortan prägten ein objektiv-nüchterner Stil, anschauliche Milieustudien und eine überzeugende Charakterzeichnung seine Werke. Der Welterfolg „Kleiner Mann – was nun?“, der vom sozialen Abstieg eines Angestellten am Ende der Weimarer Republik handelt, sowie die späteren Werke „Wolf unter Wölfen“, „Jeder stirbt für sich allein“ und der postum erschienene Roman „Der Trinker“ werden der Neuen Sachlichkeit zugerechnet.

Das ebenso spannende wie düstere Stück läuft wieder am Samstag, 18. Januar, um 19:30 Uhr; Karten gibt es unter www.hansottotheater.de.

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