Die Unmöglichen

Die Unmöglichen

Wenn eine Lesung nicht nur Lesung heißt, sondern „Lesung mit geballter Schauspielkunst“, dann kann sie sicherlich hier bei den Schattenlichtern als Theater-Tipp besprochen werden. Einer Lesung mit so auffälligem Untertitel folgten gestern Abend zwei Schattenlichter im Admiralspalast in der Friedrichstraße.

Bevor es losging, lieferte die Natur ein eindrucksvolles Schauspiel mit arg verdunkeltem Himmel, mit Starkregen, gleißenden Blitzen und polterndem Donner. Wer es klitschnass in den Admiralspalast geschafft hatte, hatte schon mal was zu erzählen.

Dann trat eine Mitarbeiterin des Hauses auf die leere Bühne und überraschte mit der Nachricht, dass trotz des Wetterspektakels alle sechs Lesungsschauspieler pünktlich eingetroffen seien. Mit Rücksicht auf das noch längst nicht vollständige Publikum der eigentlich ausverkauften Veranstaltung wolle man den Beginn der Lesung aber um zehn Minuten verschieben.

Dann ging es endlich los: Die „geballte Schauspielkunst“ betrat die wie für eine klassische Lesung mit Tischen und Wassergläsern eingerichtete Bühne. Ich wollte sie alle schon mal live sehen, nicht immer nur auf der Kinoleinwand – Jan Josef Liefers, Devid Striesow, Ronald Zehrfeld, Meret Becker, Claudia Michelsen und Thomas Loibl.

Die Lesung des Textes „Die Unmöglichen“ gestaltete sich tatsächlich eher wie ein Theaterstück mit Textbüchern als wie eine Lesung. Das Team interagierte mit großer Freude; immer wieder wurden Gegenstände von einem zum anderen gereicht, und nicht selten wechselte jemand seinen Platz. Es wurde auch lautstark geknutscht und gehauen. Anders als bei einem Hörbuch machten die Schauspieler auch die Geräusche selbst: Besonders begeistert war das Publikum von Babygeschrei, Anrufbeantwortern und Handyklingeln. Als Erzähler führt Jan Josef Liefers durch den Abend. Nebenbei trug er mit einigen humorvoll gespielten Nebenrollen zu der Geschichte bei.

Thema des als Hörspiel konzipierten Textes ist die pränatalen Diagnostik: Ein deutsches Ehepaar reist nach England, um in einer Privatklinik per In-Vitro-Fertilisation ein Kind zu zeugen. Drei Embryonen entstehen, aber nur einer wird eingepflanzt werden. In diesem Moment beginnt eine spekulative Vorschau auf die wichtigsten Ereignisse zwischen Geburt und Tod. In einer Parallelmontage werden die drei möglichen Leben der Embryonen – Amelie, Max und Fabian – erzählt: Was macht das Leben glücklich? Welches der drei Leben ist das lebenswerteste? Zu hören sind drei Möglichkeiten. Am Ende werden sich die Eltern für eine entscheiden – ohne das Wissen, dass die Zuschauer durch den Blick in die Zukunft haben. Und das ist auch gut so, denn man muss nicht alles schon vorher wissen …

Die Schattenlichter waren begeistert und empfehlen, schon mal eine kleine Wochenendreise für den nächsten Winter einzuplanen: „Die Unmöglichen“ werden dann gespielt, äh, gelesen, in Hannover (23.11.), in Dresden (26.1.2020) und in Leipzig (15. März 2020). Alle drei Daten sind Wochenendtermine, so dass sich eine kleine Städtereise anbietet.

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Balle, Malle, Hupe, Artur und der Zeitsprung

Balle, Malle, Hupe, Artur und der Zeitsprung

Als ich 1971 geboren wurde, brachte das GRIPS Theater sein Erfolgsstück „Balle, Malle, Hupe und Artur“ heraus. Inzwischen hat sich nicht nur bei mir einiges verändert, sondern auch in der Welt von Balle, Malle, Hupe und Artur. Daher zeigt das GRIPS das Stück nun in einer völlig neuen Version: Der ursprüngliche Stücktext stammte von GRIPS-Gründer Volker Ludwig, der aktuelle Text von Mehdi Moradpour und die Inszenierung von Vassilis Koukalani, der in Griechenland bereits mehrere Stücke von Volker Ludwig auf die Bühne gebracht hat.

Das aktuelle Stück – mit dem weniger sperrigen Titel „Die Lücke im Bauzaun“ – erzählt die Geschichte der vier Kinder neu. Im Berlin von 2019 haben die Kinder Tablets, aber ansonsten ganz ähnliche Probleme wie 1971.

Die heutige öffentliche Generalprobe überzeugte das Publikum vollends: Nichts nur, dass die „Menschen ab sechs“ besser 120 Minuten lang konzentriert blieben, als es häufig beim Publikum von Jugendstücken der Fall ist. Auch wenn es darum ging, Ideen in Richtung Bühne zu rufen, waren die Mädchen und Jungen engagiert und aufgeweckt.

Bei den von einer dreiköpfigen Band begleiteten Songs kamen die Zuschauer des Jahrgangs 1971, quasi GRIPS-Zeitzeugen, doppelt auf ihre Kosten: Zum einen wurden ihnen mitreißende, dynamische Lieder präsentiert, zum anderen war noch der eine oder andere 1971 erfolgreiche Refrain entfernt wiederzuerkennen: „Meins oder Deins“ und „Einer ist keiner“ sind mir zumindest gleich aufgefallen. Übrigens ein Verdienst des GRIPS Theaters, dass diese Zeilen heutzutage für weit weniger Aufregung sorgen als damals! Vielen Dank auch dafür!

Premiere ist übermorgen, am 6. Juni. Weitere Vorführungen sind am 8., 9. und 15. Juni; die Schulpremiere ist für den 14. Juni angesetzt. Die Premiere eröffnet die Festwochen „50 Jahre GRIPS“. Die Schattenlichter, die gerade mal 35 Jahre alt werden, gratulieren von Herzen und wünschen dem GRIPS weiterhin so vielversprechende Premieren und so tolle Schauspielerinnen und Schauspieler.

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Geballte Thalbach-Power

Geballte Thalbach-Power

Wer für heute genug Sonne abbekommen hat und trotzdem einen heiteren Abend verbringen möchte, dem empfehlen wir einen Gang in die Komödie, die ja derzeit im Schiller-Theater zu Hause ist.

Dort haben sich gesten Abend sechs Schattenlichter die Komödie „Der Raub der Sabinerinnen“ angesehen und gut gelacht. Neugierig gemacht hatte uns nicht das Stück selbst, sondern die Besetzung: Drei Generationen Thalbach waren uns versprochen worden, und so viel geballte Thalbach-Power war den Gang ins Theater in jedem Fall wert.

Das Stück selbst ist heiter ohne allzu viel Tiefgang, wie es sich für einen so warmen Frühsommertag gehört: Als Student hat Gymnasialprofessor Gollwitz eine Römertragödie geschrieben – ein unreifes Stück mit zahlreichen Anfängerfehlern, das gottlob jahrzehntelang im Schreibtisch des Professors eingestaubt ist. Doch Theaterdirektor Striese – Thalbach I spielt den Direktor und auch dessen Ehefrau – kann Gollwitz überreden, ihm das Stück für eine „grandiose Aufführung“ zu überlassen. Zwar hat Gollwitz Bedenken, aber Eitelkeit und Geldnot siegen, so dass die Tragödie unter einem Pseudonym erscheinen darf.

Es kommt, wie es kommen muss: Das Inkognito von Gollwitz wackelt, und die Aufführung droht zur Blamage zu werden. Dazu kommen noch jede Menge andere Verwicklungen und Verwirrungen …

Noch heute Abend (Sonntag, 2. Juni) um 18 Uhr – also nichts wie hin! Freie Plätze sind noch vorhanden.

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Jede Menge Denkanstöße rund um Kopftücher und andere Kopfbedeckungen

Jede Menge Denkanstöße rund um Kopftücher und andere Kopfbedeckungen

Ungewöhnlich spät kommt der Theater-Tipp der Schattenlichter im Monat Mai. Das liegt aber nicht etwa daran, dass wir der Kultur überdrüssig geworden wären, sondern dass wir im Wonnemonat zur Abwechslung mehrere Konzerte besucht haben.

Auch wenn einiges davon durchaus empfehlenswert ist – Tipps geben wir lieber nur in dem Bereich, in dem wir selbst zu Hause sind.

Theater also: Heute gingen fünf Schattenlichter ins GRIPS Theater: Seit mehreren Monaten ist dort „Dschabber“ zu sehen – ein nur 75 Minuten langes, knackig-dynamisches Stück mit einer aktuellen Thematik: Es geht ums Kopftuchtragen – und zugleich auch um unzählig viele Begleitthemen wie Toleranz, Religion, Freundschaft, Anderssein, Eltern-Kind-Beziehungen, Gewalt, Emanzipation, Heimat, Eifersucht, Halbwissen, Gerüchte, Vorurteile und Vertrauen. Mir würden noch zehn weitere einfallen, wenn ich weiter darüber nachdächte!

Der Autor ist Marcus Youssef, Kanadier mit ägyptischen Eltern; von ihm wurde im GRIPS bereits „Winners and Losers“ gezeigt. Er liefert mit seinem Stück jede Menge Denkanstöße, ohne eine bestimmte Lösung vorzuschreiben. Wie so oft im guten pädagogischen Theater: Der Zuschauer soll und darf sich seine Meinung selbst bilden. Das Stück ist im GRIPS für Menschen ab 13 empfohlen, die dargestellten Jugendlichen sollen etwa 16 Jahre alt sein. Die Teenager und Erwachsenen im Publikum waren hochkonzentriert und folgten der Handlungsentwicklung gespannt.

Regisseur Jochen Strauch setzt das Stück minimalistisch und effizient in Szene: Eine Betonmauer hält als Leinwand für Messenger-Nachrichten und Filmprojektionen her, ist aber zugleich eine überzeugende lieblos-graue Schulwand. Eine Handvoll abgeschabter Stühle sind gleichermaßen Sitzgelegenheiten wie auch Schrott am heimlichen Kanaltreffpunkt. Und ein Haufen bunter Klamotten macht aus drei wandlungsfähigen Schauspielern ein Dutzend Charaktere – witzig und mit gut beobachteten Details.

Das Spielertrio Nina Reithmeier, Patrick Cieslik und GRIPS-Neuzugang Marius Lamprecht begeistert mit den verschiedenen Rollen das aufmerksame Publikum in jeder Szene. Auch wenn Auftritte mancher Charaktere nur kurz sind, gelingt es, jeden so bildlich darzustellen, dass man den Typus genau vor Augen hat. Den passenden Stückrhythmus gibt ein Live-Drummer vor.

„Dschabber“ ist am morgigen Dienstag, 28. Mai, und am Mittwoch, 29. Mai, jeweils um 11 Uhr zu sehen. Wer’s nicht mehr schafft: Die nTermine für September, Oktober und November 2019 stehen auch schon im Spielplan!

Ach ja, wofür steht „Dschabber“ eigentlich? Geht ins GRIPS und findet es selbst heraus!


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Von Monsieur Claude zu Monsieur Pierre

Von Monsieur Claude zu Monsieur Pierre

Und wieder einmal erleben die Schattenlichter einen Theaterabend, der unter dem Motto stand: Erfolgreiche Filmvorlage -> erfolgreiches Theaterstück.

Und wieder einmal war die Komödie am Kurfürstendamm – derzeit im Schiller-Theater – der Schauplatz dieses Erfolgsrezepts. Stück und Film: Monsieur Pierre geht online.

Nebenbei bemerkt, führte es zu leichten Verwirrungen im Schattenlichter-Kalender, dass wir gestern bei „Monsieur Claude“ und heute bei „Monsieur Pierre“ waren … Französische Komödie ist eben an sich schon ein Erfolgsrezept.

Im Mittelpunkt von Film und Schauspiel steht der Rentner Pierre, der seit dem Tod seiner Frau den Lebensmut verloren hat. Seine umtriebige Tochter mit Haaren auf den Zähnen und mit großer Organisationslust – für mich eine Traumrolle – besorgt ihm einen Computer und einen Computerlehrer. Der Lehrer ist eher zufällig der nichtsnutzige Freund von Pierres Enkelin; dieser Zusammenhang wird Pierre aber verschwiegen, weil die Mutter für die neue Beziehung ihrer Tochter keine Zukunft sieht.

Schon diese Heimlichtuerei führt zu einigen witzigen Verwirrungen. Aber richtig in Fahrt kommt die Komödie, als Pierre nicht nur verstanden hat, dass man auch am PC ein Fenster öffnen und einen Papierkorb benutzen kann, sondern als er sich auf eine Online-Dating-Seite begibt. Er nimmt Kontakt zu hübschen jungen Frauen auf, verwendet aber ein Foto seines 40 Jahre jüngeren Computerlehrers.

Es kommt, wie es kommen muss: Pierre findet eine Seelenverwandte, und sie möchte sich treffen. Da Pierre ja anders aussieht als auf dem Foto, schickt er den Freund der Enkelin zu dem Rendezvous. Nicht unproblematisch, da dieser nicht dieselben Fremdsprachen spricht wie Pierre und ja selbst gebunden ist. Und mehr sollte wirklich nicht verraten werden!

Alle fünf Schauspielerinnen und Schauspieler spielen ihre Rollen konsequent und – im Rahmen einer Komödie – durchaus glaubwürdig: Schön knurrig ist der Alte (Walter Plate), ziellos der Junge (Jochen Schropp), herzlich und erfrischend die Internetbekanntschaft (Vanessa Rottenburg), übermotiviert die Mutter (Manon Straché) und egozentrisch die Tochter (Magdalena Steinlein).

Das Bühnenbild arbeitet zum Thema passend mit großen Übertragungen des Bildschirms, beispielsweise witzigen Skype-Szenen. Damit diese Bilder die gesamte Bühne überspannen können, sind die Möbel in Weiß gehalten. Schlau – aber originelle und praktische Bühnenbilder sind ja ohnehin eine Spezialität der Kudamm-Komödie!

Das Fazit der Schattenlichter: Auch diesen Monsieur sollte man ansehen! Bis zum 21. April läuft er quasi täglich. Und da das Schiller-Theater riesig ist, gibt es auch noch genügend Karten für alle Leserinnen und Leser dieses Theater-Tipps.


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Theater und Kino in direkter Nachbarschaft

Theater und Kino in direkter Nachbarschaft

Wer unserem Theater-Tipp vom 23. Dezember 2018 gefolgt ist und im Steglitzer Schlosspark-Theater bei „Monsieur Claude und seine Töchter“ ebenso viel Spaß hatte wie wir, dem empfehlen die Schattenlichter, zeitnah direkt neben dem Schlosspark-Theater ins Adria-Kino zu gehen: Dort läuft seit gestern „Monsieur Claude 2 – Immer für eine Überraschung gut“.

Man könnte befürchten, dass Teil 2 nur ein billiges Remake von Teil 1 wäre, aber im Gegenteil: Wir fanden Teil 2 sogar noch besser. Es ist einfach unglaublich, was sich Drehbuchautor und Regisseur Philippe de Chauveron alles einfallen lässt, um das Unglück des spießbürgerlichen Ehepaars Verneuil noch zu verschlimmern.

Zweifelsohne ist der Film eine Komödie, aber gemessen an der großen Zahl von Hauptdarstellern – zwei Eltern, vier Töchter, vier Schwiegersöhne mit Wurzeln aus aller Herren Länder -, haben die Rollen unerwartet viel Tiefgang und Charme. Und das Spiel mit Klischees und Nationalstolz macht Spaß; sowas können die Franzosen naturgemäß viel besser als wir Deutschen.

Die Schattenlichter empfehlen: Hingehen!

Das Schlosspark-Theater zeigt „Monsieur Claude und seine Töchter“ wieder vom 13. bis zum 15. April.

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Theater im Hotel

Theater im Hotel

„Menschen im Hotel“ ist der programmatische Titel eines Theaterstücks, das fünf Schattenlichter heute Abend in der Vaganten Bühne sahen – oder besser gesagt, sich erliefen. Denn bei diesem Stück sitzen die Zuschauer nicht passiv in ihren Theatersesseln, sondern sie bewegen sich im benachbarten Savoy Hotel von Etage zu Etage und von Zimmer zu Zimmer, um vier verschiedene Szenen an vier verschiedenen Orten zu erleben. Bis in die sechste Etage hinauf ging es, mit hervorragendem Blick auf die westliche Berliner Innenstadt.

Ein tolles Konzept! Wir sind schon am Überlegen, wie sich das auf die Schattenlichter übertragen ließe: Publikumsbewegung zwischen Großem Saal, Dorfkirche, Kulissenstellraum und Gemeindegarten? Ein Hotel im Berliner Zentrum ist natürlich mondäner!

Die Romanvorlage „Menschen im Hotel“ schrieb Vicki Baum vor fast 100 Jahren, nach eingehender Recherche als Zimmermädchen in luxuriösen Hotels. Die Handlung: Eine Handvoll Menschen trifft in einem Berliner Grand Hotel aufeinander. Ihre ganz unterschiedlichen Schicksale rund um Geschäfte, Liebe, Krankheit, Burnout und Armut verweben sich miteinander. Nicht nur spielerisch ist das Stück gut gelungen, auch logistisch ist es eine Meisterleistung, wir die Zuschauer an den echten Hotelgästen vorbei durchs Haus dirigiert werden und die Schauspieler zur richtigen Zeit im richtigen Zimmer sind.

Der von den Vaganten gewählte Schauplatz ist perfekt: Das Savoy entstand zeitgleich mit dem Roman, und die Schauplätze der Handlung – Theater des Westens und Kantstraße – befinden sich direkt vor der Tür. Stark!

A propos Historie: Die Schattenlichter gehen auf ein 35-jähriges Bestehen zu. Genau doppelt so alt ist die Vaganten Bühne: Vor 70 Jahren von Horst Behrend gegründet, hatte das Theater zuerst keine feste Spielstätte. Mitte der 50er-Jahre bezogen die Vaganten ihr Domizil am Theater des Westens, wo sie bis heute aktiv sind – wenn sie nicht gerade im Savoy Hotel spielen …

In 70 Jahren haben die Vaganten 500 Inszenierungen gezeigt – mit mehr als 1.500 Darstellern. Der heutige Leiter, Jens-Peter Behrend, ist der Sohn des Gründers.

Die Schattenlichter gratulieren – und empfehlen einen Besuch bei den Vaganten. „Menschen im Hotel“ wird wieder an den Sonntagen 31.3., 7.4. und 28.4. gezeigt. Online gibt es keine Karten mehr, aber an der Abendkasse sollte es klappen: Tel. 030 3131207.

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Ein beachtliches 30-jähriges Stückjubiläum

Ein beachtliches 30-jähriges Stückjubiläum

Au Mann! Wenn ein Theaterstück 30-jähriges Jubiläum feiert und man sich erinnert, bei der Premiere nicht etwa ein Kleinkind, sondern bereits eine Abiturientin gewesen zu sein, dann führt einem das brutal vor Augen, wie die Zeit vergeht. So erging es mir gestern Abend im GRIPS Theater, wo ich mit vier Schattenlichtern das – wie ich immer sage – wichtigste Stück des GRIPS Theaters ansehen wollte: „Ab heute heißt du Sara“.

Schon als Menschen mit Blumensträußen und Fotoapparaten durchs Theaterfoyer liefen und Theaterleiter Philipp Harpain zu Stückbeginn auf die Bühne trat, war klar: Irgendwas ist heute besonders. Das Stück – die szenische Aufarbeitung der Lebensgeschichte von Inge Deutschkron, Berliner Jüdin im Nationalsozialismus, – hat sich also schon 30 Jahre lang gehalten. Das ist gut, denn die Auseinandersetzung mit der Nazizeit ist ja bekanntlich sehr wichtig, und gerade Schulklassen dazu zu bringen, sich auch emotional in diese unschöne Zeit hineinzuversetzen, ist eine große Leistung. Noch besser ist es, dass sich einige Schulen im Vorfeld intensiv mit dem Stück und seiner Epoche befasst haben; hierfür gab es Blumen von der Senatsschulverwaltung für eine besonders engagierte Lehrerin und GRIPS-Theaterkarten für die engagierten Schulklassen. Auch das GRIPS bekam einen Blumenstrauß – gewissermaßen auch stellvertretend für Inge Deutschkron, die Deutschland zwar in den 1960er-Jahren – von der Allgegenwart von Altnazis in wichtigen Ämtern frustriert – verlassen hatte, aber Ende der 1980er für „Ab heute heißt du Sara“ wieder nach Berlin kam und sich hier seitdem als Zeitzeugin engagiert.

Wie es GRIPS-Gründer Volker Ludwig 1989 geschafft hat, aus Inge Deutschkrons Autobiografie 33 einprägsame, anrührende und immer wieder auch lustige Theaterszenen zu machen, die von Detlef Michel die passende musikalische Untermalung bekamen, hat mich schon 1989 als Schülerin begeistert. Die Zeitschrift „Theater heute“ war so angetan, dass sie das komplette Stück in einer Ausgabe von „Theater heute“ abdruckte. Ich sehe das Stück etwa alle zwei Jahre wieder und mische mich mit verschiedenen Begleitern unter die zahlreichen Schulklassen. Nach wie vor gilt: Keinen lässt die Inszenierung kalt, und auch die mit Chipstüten raschelnden Schüler verstehen die Botschaft. Gestern zum Beispiel flüsterte es hinter mir: „Die alte Frau tut mir total leid!,“, und die Antwort war: „Ich heul auch gleich.“ Genauso konnte aber auch herzhaft gelacht werden – beispielsweise, wenn die Möbelhändler, die das Hab und Gut der Familie Deutschkron für dünne Münze aufkaufen, ihren „Händlersong“ vortragen und dabei mit Stühlen artistischen Choreografien folgen.

In einem gutsortierten Haushalt findet sich alles an, so auch das Textbuch von 1989. Die darin enthaltenen Fotos sorgten bei mir nach dem Theaterbesuch noch für einen heiteren Abend zu Hause: Vom Anfangsensemble sind auch nach 30 Jahren Dietrich Lehmann und Thomas Ahrens in heutigen „Sara“-Ensemble. Während die Inge-Darstellerin jung geblieben ist – sie muss zu Stückbeginn 1933 elf Jahre alt sein und zum Kriegsende Anfang 20, sodass sie im Lauf der Jahre von immer neuen Schauspielerinnen verkörpert werden musste -, ist ihr Bürokollege Werner – Thomas Ahrens – inzwischen einfach mal 30 Jahre älter geworden. Gleiches gilt für Dietrich Lehmann als Otto Weidt, den Leiter der Blindenwerkstatt, der zahllosen Jugend in der Nazizeit geholfen hat. Aber ob 30, 60 oder 90 Jahre alt – der Typus muss stimmen, und das haben die GRIPS-Profis voll drauf. Wenn es nicht so peinlich wäre, würde ich nach jedem Theaterbesuch Unmengen von Blumensträußen für das gesamte Ensemble auf die Bühne werfen.

Auch wenn es gestern ausverkauft wirkte, gibt es für heute und morgen, 7. und 8. März, offenbar noch Karten für die „Sara“-Vorstellungen um 18 Uhr. Die Schattenlichter empfehlen: Hingehen, hingehen, hingehen! Und eine kleine Botschaft ans GRIPS: Die Orte und Daten der einzelnen Szenen waren früher sehr viel besser lesbar!

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Alle Wege führen nach Zehlendorf

Alle Wege führen nach Zehlendorf

Berlinale, drei Generationen Thalbach oder Berliner Käsetage? Weit gefehlt: Im Februar empfehlen die Schattenlichter nur eins: die Aufführungen der Schattenlichter!

In der kommenden Woche am Donnerstag, Freitag und Samstag ist es soweit: Dann zeigen wir unser diesjähriges Stück „Richtfest“. Die Proben laufen auf Hochtouren, damit wir Euch Lutz Hübners Theaterstück optional präsentieren können.

Die Aufführungen am 21. und 22. Februar beginnen um 19:30 Uhr, am 23. Februar um 18 Uhr. Karten gibt es an der Abendkasse 20 Minuten vor Stückbeginn.

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Von Castorf erschlagen

Von Castorf erschlagen

Heute Abend wollte niemand den Theater-Tipp schreiben: Drei von uns sind nach zweieinhalb Stunden in der Pause gegangen, drei andere haben nach vier Stunden aufgegeben, und nur einer sitzt immer noch in der Vorstellung. Ihr ahnt schon, worum es geht? Genau, die Schattenlichter waren in der auf sechs Stunden angesetzten Aufführung von „Galileo Galilei“ im Berliner Ensemble, die vor ein paar Tagen ihre Premiere hatte.

Was tun, wenn man von Frank Castorf so erschlagen ist, dass man sich zum Tippschreiben nicht mehr in der Lage sieht? Ich bitte die mit mir Geflüchteten, mir je eine Sache zu nennen, die ihnen gefallen hat. Wer keine großen Ziele erreichen kann, setzt sich eben kleine.

Schattenlicht Nr. 1 lobt das auf einer Drehbühne aufgebaute Bühnenbild, das Blicke in Galileis Forscherstätte und in andere Räume erlaubt. Nr. 2 ist speziell von Galileis Fernrohr angetan, das größer ist als in der Sternwarte auf dem Insulaner. Man kann es hoch- und runterkurbeln, und besonders motivierte Wissenschaftler klettern sogar hinein, um den Sternen noch näher zu kommen. Nr. 3 bewundert die Schauspielkünste und das Durchhaltevermögen des Hauptdarstellers: Der 86-jährige Jürgen Holtz lasst uns live am Denkprozess des Galilei teilhaben und steckt mit seiner Begeisterung für Wissenschaft und Wahrheit nicht nur seinen ebenfalls gut gespielten Schüler Andrea an, sondern auch das Publikum.

Nun drei Dinge, die uns nicht so gut gefallen haben:
Nr. 1: Der Einsatz von Live-Filmen im Theater kann belebend sein, hat aber bei dieser Inszenierung ein Ausmaß angenommen, das auf uns maßlos wirkt: Da dauert eine einzige Szene gerne mal 30 Minuten – die ganze Zeit mit schwankendem Bild, monotonen Hintergrundgeräuschen und gruseligen Nahaufnahmen.
Nr. 2: So maßlos wie die Filmszenen ist in dieser Inszenierung so ziemlich alles – es gibt immer wieder originelle Ideen, die fünf Minuten lang toll wären, aber endlos ausgewalzt werden.
Nr. 3: Oft schaut man nur auf eine Wand statt direkt auf die Schauspieler. Auch das wäre als Stilmittel mal ganz nett, aber nichts über 50 Prozent des Stücks.

Vielleicht hat Castorf ja in den letzten beiden Stunden noch das Steuer herumgerissen. Wir werden es uns vom tapfersten Schattenlicht berichten lassen!

www.berliner-ensemble.de

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