Das Jahr klingt aus mit „Fahr mal wieder U-Bahn!“

Das Jahr klingt aus mit „Fahr mal wieder U-Bahn!“

Der letzte Theaterbesuch des Jahres führte drei Schattenlichter ins GRIPS Theater. Da es sich um die letzte Abendvorstellung des Jahres handelte, nutzte der neue Theaterleiter Philipp Harpain die Gelegenheit für eine kurze Ansprache: Das Theater hat in diesem Jahr drei Theaterpreise abgeräumt und wird voraussichtlich noch bis Silvester die bisher unerreichte Marke von 90.000 Besuchern im Jahr knacken. Toll!

Die letzte Abendveranstaltung – „Linie 1“ – war jedenfalls wieder einmal ausverkauft, obwohl es sich immerhin schon um die 1.810. Vorstellung des Musicals handelt. Das Stammpublikum hat seine Freude daran, einige dezente Veränderungen zu entdecken: Einige Musikstücke wurden leicht aktualisiert und einige Textstellen verändert. Sogar einen veränderten Requisitenumbau haben wir entdeckt! So achtet das GRIPS darauf, dass das Erfolgsstück nicht irgendwann reif für die Mottenkiste wird.

Auch drei neue Gesichter waren im „Linie 1“-Team zu entdecken: Es gab mal wieder ein neues „Mädchen aus Westdeutschland“ – die müssen ja immer jung und unschuldig sein und daher alle paar Jahre neu besetzt werden. René Schubert, aus vielen anderen GRIPS-Stücken bekannt, spielt nun auch bei „Linie 1“ mit und ist als Jugendlicher mit Walkman ebenso überzeugend wie als bauchfrei gekleideter „Märchenprinz“. Bei dessen Auftritt muss sogar die Darstellerin des Wessimädchens kurz lachen. Nicht zuletzt hat auch die Band „No Ticket“ einen neuen E-Gitarristen – offenbar eine Vertretung für Michael Brandt -, der sogar den größten „Linie 1“-Ohrwurm zusammen mit dem obercoolen „Bambi“-Darsteller singen darf und das hervorragend macht.

Daneben spielen auch die bekannten Gesichter ihre Rollen unverbraucht und top motiviert. Aus dem Uraufführungsemsemble von 1986 ist nach wie vor Dietrich Lehmann dabei, inzwischen 77 Jahre alt. Man erzählt sich, er habe noch keine einzige der 1.810 Aufführungen verpasst. So einen zuverlässigen und überzeugenden Arbeitnehmer wünscht sich jeder Chef!

Lustig, dass einen Tag vor dem Schattenlichter-Theaterbesuch auch der „Tagesspiegel“ über die „Linie 1“ berichtet. Wenn ein Theaterstück an einem realen Ort spielt, den man aus eigenem Erleben kennt, hat das immer einen besonderen Charme, weil man mitreden kann und sich involviert fühlt. Die Handlung von „Linie 1“ ist auf „1986 West-Berlin“ datiert. Damals fuhr die U-Bahn-Linie 1 von Ruhleben über den Zoo zum Schlesischen Tor. In der Zeitung ist nun zu lesen:

„Die BVG will der „Linie 1“ erneut an den Kragen. Um die Züge der U 3 aus Krumme Lanke, die bisher im Bahnhof Nollendorfplatz enden, bis zur Warschauer Straße fahren lassen zu können, soll es auf der U 1 zur Uhlandstraße weniger Fahrten geben. Bereits 1993 hatte die BVG die Linienführung verändert. Seither kann das Mädchen vom Land nicht mehr wie im Theaterstück am Bahnhof Zoo in den Zug der Linie 1 einsteigen; hier fährt seither die U 2. Als Volker Ludwig sein 1986 uraufgeführtes Stück von dem Mädchen, das in der U-Bahn seinen Schwarm sucht, schrieb, verkehrte die Linie 1 noch zwischen Ruhleben und Schlesisches Tor. 1993, nachdem die durch den Mauerbau entstandene Lücke im Netz zwischen den Bahnhöfen Gleisdreieck und Potsdamer Platz wieder geschlossen war, hatte die BVG schon einmal die „Linie 1“ geschrumpft. Mit dem Lückenschluss war die Verbindung von Pankow nach Ruhleben mit den wichtigen Zwischenstationen Alexanderplatz und Zoologischer Garten zwar die bedeutendste im Netz, sie wurde aber doch nur zur U 2. Die „Linie 1″ sollte zumindest auf ihrem Hauptabschnitt weiter durch Kreuzberg fahren — wie im Musical. So verbunden war die BVG immerhin mit Volker Ludwigs Werk. (…) Die BVG fährt bei den Fahrgastzahlen von Rekord zu Rekord. Nach dem Knacken der Milliardengrenze im Jahr 2016, als sie 1,045 Milliarden Fahrten zählte, waren es im vergangenen Jahr nach ersten Prognosen rund 1,06 Milliarden Fahrten. Und so kamen die Planer jetzt auf die Idee, wieder mehr Züge auf die Hochbahn durch Kreuzberg zu schicken: In den Hauptverkehrszeiten sollen die Bahnen der U 3 alle fünf Minuten von der Krummen Lanke bis zur Warschauer Straße fahren. Dafür soll auf der U 1 zwischen Uhlandstraße und Warschauer Straße nur noch alle zehn Minuten ein Zug kommen. Auf dem nachfragestärksten Abschnitt zwischen Wittenbergplatz und Warschauer Straße, der von beiden Linien befahren wird, gibt es dadurch aber einen Drei- bis Vier-Minuten-Takt. Weiterer Vorteil: Studenten an der Freien Universität, die in Kreuzberg oder Friedrichshain wohnen, erhalten mit der verlängerten U 3 wieder eine umsteigefreie Verbindung. Die U 3 soll nach den bisherigen Überlegungen nicht erneut umbenannt werden, auch wenn die U 1 nur noch alle zehn Minuten fährt — und damit so selten wie die Züge auf den nachfragearmen Linien U 4 (Nollendorfplatz– Innsbrucker Platz) oder U 55 (Brandenburger Tor–Hauptbahnhof). Sollte der Senat den Plänen zustimmen, könnten sie Anfang Mai umgesetzt werden, sagte BVG-Sprecher Markus Falkner.“

Zum Artikel wurde auch eine Grafik veröffentlicht. Merkwürdig ist daran, dass ausgerechnet der ehemalige Endbahnhof der „Linie 1“, Schlesisches Tor, nicht beschriftet wurde (neben dem für die alte „Linie 1“ irrelevanten Bahnhof Kurfürstendamm).

Für die Schattenlichter ist klar: Auch wenn die BVG ihre Linie 1 irgendwann völlig einstellen sollte, werden wir sie weiterhin jedes Jahr im GRIPS Theater genießen! Alleine von Januar bis zur Sommerpause steht sie dort mehr als 30-mal auf dem Spielplan.

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Schattenlichter auf Theaterreise

Schattenlichter auf Theaterreise

Es ist ein angenehmer Luxus, für einen Theaterbesuch extra in eine andere Stadt zu reisen und um den Besuch noch ein paar andere schöne Termine herumzuplanen. In diesem Sinne reisten vier Schattenlichter ins weihnachtliche Hamburg und schauen sich im Altonaer Theater „Die Feuerzangenbowle“ an.

Der Roman von Heinrich Spoerl um seinen frechen Schriftsteller Dr. Hans Pfeiffer ist großartig, die Verfilmung mit Heinz Rühmann kann getrost als früher Kultfilm bezeichnet werden — und das Theaterstück ist ebenfalls wunderbar. Die drei Stunden vergehen wie im Fluge. Kein Wunder, dass diese Inszenierung ihr 20. Jubiläum feiert!

Dank Buch und Film hat jeder ein festes Bild von den Charakteren der greisen Pauker und der „Schöler“. Viele Zitate sind samt Betonung in den alltäglichen Wortschatz übergegangen — man denke nur an „Ähnen fählt die sittliche Reife“, „Mer stelle uns mal janz dumm“ und „Wäär est großes E-Ponkt?“. Die Theaterinszenierung macht nicht den Fehler, die Rollen neu zu interpretieren, sondern sie bedient die Erwartungen, fügt aber phantasievoll einige Überraschungen ein. Geschickt werden auch ein paar Gesangsszenen in die Handlung integriert.

Dieser Ausflug in das Beste des Schulalltags vor fast 100 Jahren ist absolut empfehlenswert. Auf nach Hamburg — bis 26.12. besteht noch die Gelegenheit! Ein paar freie Plätze gibt’s auch, denn der Saal ist riesig.
Frohes Fest allen Theaterfreundinnen und -freunden!

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Sie kann auch singen!

Sie kann auch singen!

Wer sich im Theater auf Weihnachten einstimmen will, dem empfehlen die Schattenlichter einen Gang ins Theater am Kurfürstendamm: Erst das Lichtermeer der üppig und geschmackvoll illuminierten Straße aufnehmen, dann Gayle Tufts und „Very Christmas“ sehen.

Angesichts des Namens Gayle Tufts könnte man einen Abend voller Geplauder in der für die Entertainerin typischen deutsch-englischen Sprachmischung erwarten. Doch man wird überrascht, denn Gayle Tufts kann auch richtig gut auf „Denglisch“ singen. Dafür hat sie charmante Gesangspartner aus New York, England und Österreich an Bord — und ein dreiköpfiges Instrumentalteam. Marian Lux, der musikalische Leiter der Produktion, hat bekannte Weihnachtslieder beschwingend arrangiert, und mit den passenden Lichteffekten und quasi minütlich wechselnden Abendkleidern von Gayle Tufts und ihren Mitstreitern kommt Stimmung auf.

Gayle Tufts führt von Lied zu Lied und fasst dabei mancherlei Typisches originell zusammen: beispielsweise, dass in den USA nur am 25.12. Weihnachten gefeiert wird, während wir in Deutschland den ganzen Advent, Nikolaus und drei Weihnachtsfeiertage haben. Dafür lassen es die Amerikaner mit fetzigen Songs richtig krachen, während wir besinnlich-zurückhaltend „Oh du Fröhliche“ flüstern.

Auch wenn Gayle Tufts einen Trump-freien Abend verspricht, erfährt das Publikum, dass die Entertainerin kürzlich aus aktuellem Anlass die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat und dass sich Amerikaner im Publikum seit November 2016 immer verschämt ducken, wenn sie erkannt wären, während sie früher stolz auf ihre Nationalität gewesen seien.
Nicht zuletzt macht Gayle Tufts auch darauf aufmerksam, dass das Kudammtheater und die Komödie am Ende dieser Spielzeit abgerissen werden und das Ensemble nach einem Jahr Exil im Schiller-Theater zur Soielzeit 2019/20 wieder am Kudamm erwartet wird — im Untergeschoss des Neubaus. Really bedauerlisch!

Täglich außer montags bis zum 26.12.2018

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Andere Adventstermine können warten!

Andere Adventstermine können warten!

Wird etwas zur Tradition, wenn man es zum dritten Mal macht? Wenn ja, haben die Schattenlichter gestern Abend ihren traditionellen vorweihnachtlichen Theaterausflug unternommen.

Diesmal zog es elf Schattenlichter ins Kleine Theater am Südwestkorso, zur „Verlorenen Ehre der Katharina Blum“. Das Theater hatte die Bühnenadaption des Buches anlässlich des 100. Geburtstags von Heinrich Böll auf den Spielplan genommen.

Böll protestierte mit seinem Werk gegen Sensationsjournalismus und Lügenpresse — am Beispiel der Figur Katharina Blum, die zu Unrecht verdächtigt wird, die Komplizin eines gesuchten Kriminellen zu sein. Die sogenannte „Zeitung“ stellt sie mit allen Methoden der Boulevardpresse an den Pranger und zerstört so ihre soziale Existenz.

Alexander Kratzer hat die Romanhandlung verdichtet und auf funf Schauspieler reduziert. Dabei gehen keine wichtigen Informationen verloren. Im Gegenteil: Während Böll im Buch schon auf den ersten Seiten den Ausgang des Geschehens vorwegnimmt, um dann in Rückblenden zu analysieren, wie es dazu kommen konnte, verläuft die Handlung auf der Bühne chronologisch. So bleibt es für den Zuschauer der deutschen Erstaufführung spannend, in welche Richtung sich das Ganze entwickeln wird.

Das raffinierte Bühnenbild besteht aus schmalen, hohen, halbdurchsichtigen Wandelementen, die wirkungsvoll unterschiedliche Räume und auch Ebenen schaffen können. So kann im Vodergrund die Handlung ihren Lauf nehmen, während im Hintergrund die fassungslose Katharina Blum die Zeitungsnachrichten über sich selbst liest, die ihr ihre Ehre rauben. Als Katharina Blum sich über die ungerechte und falsche Berichterstattung beklagt, wird ihr erwidert: „Es gibt ja auch andere Berichte, die neutral und sachlich sind.“ Darauf Blum: „Ja, aber die liest keiner …“

Im Vorwort seines Buches schreibt Böll, dass Ähnlichkeiten zwischen der „Zeitung“ und „BILD“ weder zufällig noch beabsichtigt seien, sondern schlicht unvermeidbar.

Offene Worte, klare Botschaften, dabei Spannung und Originalität — so wünschen sich die Schattenlichter einen Theaterabend. Daher lautet unsere Empfehlung: Unbedingt hingehen — andere Adventstermine können warten!

Katharina Blum verliert ihre Ehre wieder am Freitag, 8. Dezember, 20 Uhr, und am Sonntag, 10. Dezember, 18 Uhr.

Freut Euch auf einen Reigen von Theater-Tipps im Dezember: Wir werden noch Gayle Tufts mit „Very Christmas“ sehen, außerdem „Die Feuerzangenbowle“ und „Linie 1“. Das Jahr endet voraussichtlich mit Yasmina Rezas „Kunst“ im Berliner Ensemble“, aber den dazugehörigen Tipp wird es erst nach dem Jahreswechsel geben.

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Wie vom anderen Stern

Wie vom anderen Stern

Bei ihrer Gründung im Jahr 1985 waren die Schattenlichter eine typische kleine Westberliner Institution: In Zehlendorf-Mitte, nicht einmal drei Kilometer von der Mauer entfernt, ins Leben gerufen, spielte die damalige Konfirmandengruppe in ihrem Kiez im Gemeindehaus, in mehreren Kirchen und auf bezirklichen Veranstaltungen. Schon ein Jahr später gaben die inzwischen Konfirmierten ein – natürlich mit aufwendiger Anreise und mit stundenlangen Grenzkontrollen verbundenes – Gastspiel in ihrer ostdeutschen Partnergemeinde in Rangsdorf.

Was damals Alltag war und 26 Jahre nach dem Mauerfall anmutet wie Geschichten von einem anderen Stern, das kann man sich derzeit auch in der Schaubühne veranschaulichen: „Westberlin“ heißt Reinald Grebes Inszenierung, die von sieben Profischauspielern und sieben Laien dargeboten wird. Da kommen in zweieinhalb Stunden viele Lebensgeschichten, Meinungen und politische Ereignisse zusammen. Manches wirkt klischeehaft, anderes überzogen, manches wurde stark ausgewalzt, anderes fehlt – aber das Stück bietet ehemaligen Westberlinern, Wessis, Ossis und Touris jede Menge Stoff für lange Diskussionen, Fragerunden und Zeitzeugenmeinungsverschiedenheiten nach dem Theaterbesuch. Wie das Lebensgefühl in West-Berlin war, ist eben genauso individuell wie jeder von uns.

Wieder am 29.11., 30.11., 1.12., 4.12., 5.12. und 6.12.2017: Die hintersten Plätze für sagenhafte sieben Euro sind gar nicht schlecht. Nur bei den Schattenlichtern ist der Eintritt noch günstiger!

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Zurück an der Parkaue

Zurück an der Parkaue

Seit acht Tagen ist das Theater an der Parkaue wieder an der Parkaue. Ein Grund zum Feiern, denn durch den mehrere Millionen Euro teuren Umbau hat das zu DDR-Zeiten gegründete staatliche Theater zahlreiche Verbesserungen erhalten. Dazu zählen ein gigantischer Lastenaufzug und ein fünf Etagen umfassendes Lager. Nun müssen Kulissen nicht mehr in Containern im Hof untergebracht werden, sondern sie können wettergeschützt auf direktem Weg vom Lagerhaus zur Bühne gebracht werden.

Bei einer Veranstaltung für Berliner Elternvertreter zeigten die Dramaturgin und die Leiterin des Besuchsdienstes stolz ihr frisch modernisiertes Haus. Eine solche Führung hinter die Kulissen ist sonst für 3 Euro zu bekommen, und sie ist durchaus empfehlenswert. Der Besucher sieht dabei so manches, was sonst im Verborgenen bleibt, und lernt, was Inspizienten, Dramaturgen & Co. so alles in ihrem Arbeitsalltag tun.

Die Elternvertreter als Multiplikatoren der Schulen wurden auch eingeladen, sich eine neue Inszenierung des Theaters an der Parkaue anzusehen: Michael Endes „Unendliche Geschichte“. Die phantastische Geschichte über die Rettung des Landes Phantásien, das vom „großen Nichts“ bedroht ist, wurde mit phantastischen Mitteln umgesetzt. Alles, was die neue Bühnentechnik hergibt, kommt zum Einsatz: Es schneit, die Nebelmaschine nebelt, was das Zeug hält, Bubble Balls rollen über die Bühne, gigantische Tücher wallen, Bleche donnern, das Stroboskop blitzt, die Schauspieler klettern Gerüste hoch und wieder herunter, dass einem schwindlig wird, riesige Kostüme übertreffen einander gegenseitig, und pausenlos dreht sich die Drehbühne. Das alles ist ideenreich und originell, aber mit der Zeit setzt eine Übersättigung ein, die mit einem gezielteren Einsatz der Special Effects sicherlich zu verhindern gewesen wäre. Übrigens sahen das auch die anwesenden jugendlichen Schattenlichter so, die ja vielleicht einen anderen Effekthagel verkraften können als die Elterngeneration.

Im Gespräch mit den Elternvertretern nach seinem Alleinstellungsmerkmal unter den Berliner Kinder- und Jugendtheatern gefragt, sagt die Dramaturgin, dass man an der Parkaue Theater zeigt, ohne dabei erziehen zu wollen, und das Stück für sich sprechen lässt. Zudem stehe das Theater ständig im Dialog mit Schulen und Schülern und biete Gespräche und Diskussionen an.

Unsere Empfehlung: Die Hausführung machen und den umfangreichen Spielplan daraufhin durchforsten, welche Klassiker Ihr oder Eure Kinder gerade im Rahmenplan habt. Von „Kleider machen Leute“ über „Biedermann und die Brandstifter“ bis zu den „Ratten“ reicht das erstaunlich umfangreiche Repertoire. Ein Schulbesuch samt Nachbereitung lohnt sich sicherlich.

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Was beste Freunde wirklich über einander denken

Was beste Freunde wirklich über einander denken

Offenbar haben die Schattenlichter derzeit eine Schwäche für zeitgenössische deutsche oder französische Autoren, in deren Bühnenstücken Menschen mittleren Alters stehen, die sich in ihren Wohnungen treffen und deren gemütliche Abendveranstaltungen dramatisch eskalieren.

Man denke nur an die vielen Lutz-Hübner-Stücke, die wir in den letzten Monaten gesehen haben, an „Bella Figura“ von Yasmina Reza, an „Der Vater“ von Florian Keller oder auch an unser eigenes aktuelles französisches Stück „Der Vorname“!

Heute ist ein weiteres hinzugekommen: „Hinter der Fassade“, die deutschsprachige Uraufführung eines Stücks des französischen Erfolgsautors Florian Zeller. Es ist seit vorgestern im Renaissance-Theater zu sehen – eine Kooperation mit dem St.-Pauli-Theater Hamburg.
Der Titel „Hinter den Kulissen“ ist programmatisch: Wir erfahren, was sich hinter der Fassade der Charaktere abspielt und was beste Freunde wirklich voneinander halten.

Der gemütliche Abend unter Freunden steht unter schlechten Vorzeichen: Patrick und Laurence haben sich kürzlich getrennt – ein Schock für ihre langjährigen Freunde Isabelle und Daniel. Patrick hat eine neue Freundin, und so treffen sich die beiden Pärchen zum ungezwungenen Kennenlernen in der Wohnung von Isabelle und Daniel. Eifersucht, Unsicherheit, Angeberei und Angst sind nur einige der Themen, die dabei zutage treten.
Die berühmte Schattenlichter-Frage: Was können wir uns von der Inszenierung abgucken? Da ist vor allem das Stilmittel, seine Gedanken laut auszusprechen, aber sich auch dabei zum Publikum zu wenden, so dass die anderen Bühnencharaktere das Gesagte scheinbar nicht hören. Die Zuschauer erfahren auf diese Weise einiges, was auch durch beste Mimik in einem großen Theatersaal nicht zu vermitteln wäre. Dieses Stilmittel kennen die Schattenlichter schon von früheren französischen Autoren wie Molière, bei dem es in solchen Fällen im Kursivtext „(beiseite)“ hieß. Das ist witzig und kurzweilig und kommt bei „Hinter den Kulissen“ ganz ungekünstelt daher. Vor allem Herbert Knaup beherrscht diese Kunst meisterhaft; sein Daniel verheddert sich in seinen widerstreitenden Gefühlen, und seine Gedanken mäandern beachtlich zwischen Zufriedenheit und Ausbruchslust.

Ein bisschen neidisch sind die Schattenlichter auf die kleine Drehbühne des Renaissance-Theaters, die es erlaubt, vom Wohnzimmer in die Küche bzw. in anderen Szenen von der Küche ins Wohnzimmer zu schauen. Auf gewisse Weise ist auch das ein Blick „hinter die Kulissen“.

Unser Tipp: Schnell Karten besorgen, denn es lohnt sich sehr, aber das Stück ist offenbar nahezu ausverkauft.

Täglich bis Freitag, 17.11.2017, jeweils um 20 Uhr.

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Noch preiswerter als die Schattenlichter

Noch preiswerter als die Schattenlichter

Alle paar Jahre besuchen die Schattenlichter eine Aufführung im Werner-von-Siemens-Gymnasium in Schlachtensee. Dort gibt es „Die Oilen“, eine Lehrertheatergruppe, die es an Langlebigkeit mit den Schattenlichtern aufnehmen kann. Wir wissen nicht, wann „Die Oilen“ gegründet wurden, aber sicher ist, dass sie nun schon ihr achtes Stück zeigten und dass die Verbindung mit den Schattenlichtern bereits im Jahr 2004 begann: Damals hatten nämlich beide Gruppen Oscar Wildes „Ernst sein ist wichtig“ auf dem Plan, und die Lehrer guckten sich die Aufführung der Schattenlichter an, bevor sie ihre eigene Aufführung zeigten. Diese wiederum sahen die Schattenlichter – und freuten sich irrsinnig, als sie glaubten, einige Elemente ihrer eigenen Inszenierung wiederzuerkennen.

Vorgestern und gestern nun zeigten „Die Oilen“ ein Stück des russischen Autors Jewgenij Schwarz: „Der Schatten“. Es handelt vom Schatten einer verliebten Frau, der sich von der Frau löst und so weit verselbstständigt, dass er ihr durch Intrigen den Geliebten ausspannt. Aber wie unabhängig kann sich ein Schatten von einem Menschen machen? – Dieses Motiv findet sich mehrfach in Theater, Märchen und Opern.

„Die Oilen“ stellen das 1940 uraufgeführte Stück mit dem Stilmittel der Überzeichnung dar, was sehr konsequent umgesetzt ist, aber bisweilen den Zuschauer daran hindert, der Handlung nicht nur mit dem Kopf, sondern auch emotional zu folgen. Einzig bei längeren Dialogen verzichteten „Die Oilen“ auf die Überzeichnung, so dass dann das Publikum ganz im Bann des Stücks sein konnte. Bemerkenswert war die Leistung des spielerisch über sein Vorbild hinausgehenden Schattens (Elisabeth Leder), aber auch Jan Meister stach mit seiner vielfältigen Darstellung von – angenehm begabtem – Sänger, Korporal und Henker hervor. Nicht zuletzt Harald Rehnert brachte die Schattenlichter zum Lachen, weil er seinen Prinzen mit einer Egozentrik und Kindlichkeit spielte, die originell war und überzeugte.

Jeder Darsteller hatte im Publikum seinen besonderen Fanclub; bei den Aufführungen der „Oilen“ ist es immer erheiternd, Schüler zu beobachten, die sich freuen, ihre Lehrer in anderen Rollen zu sehen als im Alltag.
Eine Berufskrankheit – den Begriff „Hobbykrankheit“ gibt es wohl nicht – der Schattenlichter ist es, bei jedem Theaterstück zu schauen, was man davon in eigenen Inszenierungen verwenden könnte. Diesmal waren es zum einen die Bühnenmusik, die von Matthias Irmer am Flügel vorgetragen wurde und nicht nur Umbaupausen, sondern auch langwierige Auftritte wie das Hereinschieben eines Throns wunderbar verkürzte und dynamisierte. Zum anderen begeisterte uns das Bühnenbild, das den Glanz eines Königshauses mit Unmengen von überdimensionalen glänzenden Seidentüchern darstellte – minimalistisch und genial! Zudem bestand das Bühnenbild aus zwei hintereinanderliegenden Ebenen, so dass eine Handlung auf der Hauptebene durch Personen, die auf der hinteren Ebene ihr Unwesen trieben, verstärkt wurde.

Da es keine weiteren Aufführungen des „Schattens“ geben wird, lautet unser Tipp: Wenn „Die Oilen“ das nächste Mal wieder etwas spielen – hingehen! Mit drei Euro war das Lehrertheater sogar noch günstiger zu haben als eine Theaterkarte bei den Schattenlichtern.

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Einen Abend Dauerlachen

Ein einziger Mann, der einen ganzen Theatersaal einen Abend lang zum Dauerlachen bringt: Über Horst Evers und sein Programm „Der Kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex“ konnten sich kürzlich fünf Schattenlichter in den Wühlmäusen schlapplachen. Dabei handelt es sich nicht um das Erzählen guter Witze, sondern um ganz praktische Lebenshilfe — und das klingt ja eigentlich eher trocken und anstrengend. Aber wenn Horst Evers seine Lebens- und Verbrauchertipps präsentiert, bleibt kein Auge trocken. Fraglich ist nur, wie viele seiner Tipps der geneigte Theaterbesucher im Anschluss an den Abend tatsächlich umsetzen wird.

Wenn Horst Evers gerade keine Tipps gibt, analysiert er das politische Zeitgeschehen; da gibt es ja derzeit genug Bemerkenswertes, so dass die Themen nicht ausgehen. Und wenn Horst Evers gerade nicht die Politik analysiert, widmet er sich dem derzeit wundesten Punkt der Berliner — dem BER. „Nicht schon wieder!“, könnte man denken, aber nein! Evers eröffnet völlig neue Sichtweisen auf die Großbaustelle, entwickelt Theorien, wie Berlin/Brandenburg doch noch zu einem Flughafen kommen könnte, und stellt Ideen vor, wie sich das unfertige Gebäude anderweitig nutzen ließe. Sooo lustig!

Nicht zuletzt: Nach dem Schlussapplaus noch einen Moment sitzen bleiben, denn dann erläutert Horst Evers, warum man unbedingt sein Buch kaufen sollte. Die Argumente sind frappierend!

Horst Evers ist mit dem „Kategorischen Imperativ“ derzeit auf Deutschlandtournee. Wieder in den Berliner Wühlmäusen (Pommernallee 2–4, Berlin-Charlottenburg) ist er am 25. und am 26. November 2017 sowie am 25. und am 26. Februar 2018. Für November 2017 gibt es nur noch Restkarten, aber es kommen immer mal wieder Plätze zurück in den Verkauf; für Februar 2018 sieht es entspannter aus.

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Alles von Lutz Hübner

Alles von Lutz Hübner

Die Schattenlichter sind zu wahren Lutz-Hübner-Experten geworden: Wer sich die Mühe macht, durch die stattliche Liste der Theater-Tipps zu scrollen – übersichtlicher als bei Facebook zu finden auf www.schattenlichter.info -, der wird feststellen, dass die Gruppe nun schon das fünfte Stück des Autorenteams Hübner/Nemitz gesehen hat: „Willkommen“.

Das Renaissance-Theater hat an Lutz Hübner offenbar ebenso viel Freude wie die Schattenlichter: In flottem Rhythmus kommt ein Hübner-Stück nach dem anderen auf die Bühne des hübschen Hauses, zum Teil sogar mit denselben Schauspielern.

Mit „Willkommen“ ist Hübner wieder ein großer Wurf gelungen: Wie bei „Frau Müller muss weg“ greift er aktuelle Strömungen auf und führt auf der Bühne Menschen zusammen, die zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen haben und diese erst dezent, im Laufe des Abends jedoch vehement vertreten und dabei so manches Detail von sich offenbaren, das besser versteckt geblieben wäre. Das Ganze geschieht bei Hübner in Echtzeit, dauert knapp 90 Minuten und ist so kurzweilig, wie ein Theaterabend nur sein kann.

Aktuelles Thema des aktuellen Stücks ist die Flüchtlingssituation in Berlin: In einer Erwachsenen-WG im biederen Charlottenburg will ein WG-Mitglied sein Zimmer während eines Auslandsaufenthaltes ein Jahr lang untervermieten — an Flüchtlinge. Dies trifft bei politisch korrekten Mitbewohnern auf Gegenliebe, andere hingegen bringen ihre Bedenken und Vorurteile deutlich zum Ausdruck. Sie wünschen sich eher ein „ruhiges älteres Ehepaar“ oder „jemanden, der Tischtennis spielen kann“. Die Jüngste in der Runde offenbart die Nachricht von ihrer Schwangerschaft und hofft auf den werdenden Vater als neuen Mitbewohner. Der ist allerdings Türke aus dem Ruhrgebiet und in manchen Punkten fast flüchtlingskritischer als die AfD … Das verspricht keine reibungslose Einigung in der Mitbewohnerfrage!

Die Schattenlichter im Publikum waren im Geiste schon dabei, die Rollen dieses Stücks auf die eigenen Gruppenmitglieder zu verteilen. Das beste Zeichen dafür, dass ein Theaterbesuch wirklich gelungen ist, ist, wenn man das gesehene Stück selbst spielen will.

„Willkommen“ heißt es noch vom 1. bis zum 6. September 2017 um 20 Uhr bzw. am Sonntag um 16 Uhr. Das Theatergebäude kann übrigens auch am Tag des offenen Denkmals (Sonntag, 10. September, 11 und 14 Uhr) besichtigt werden; Anmeldung unter Tel. 030 31597315.

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